Brief von Peter Jakob Kanke, Sergejewka, Slawgorod, Sibirien, in der "Mennonitische Rundschau" vom 9. August 1922, Seiten 3, 4 und 5

 

Abgeschrieben von Lydia Friesen (geb. Esau) (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 9. August 1922, Seiten 3, 4 und 5. (gotisch) von Lydia Friesen (geb. Esau).

 

 

Sergejewka (Sibirien), den 24. Apr. 1922.
Geehrter Herr Miller.
Habe zufällig den "Vorwärts" in die Hand bekommen, und manches aus demselben erfahren. Da wir auf Ihre Hilfe angewiesen werden, und Sie sich zu Diensten stellen, den Armen Ihre helfende Hand zu reichen, kommen wir - "Viele" - mit der dringenden Bitte, uns arme Sibirier nicht zu vergessen, und in brüderlicher Liebe uns in unserer schweren Lage zu helfen. Wir sind durch die Schicksale, welche uns mannigfaltig zugestoßen, ohne Nahrung und Kleidung gekommen, so daß die Aussichten für die Zukunft uns die traurigsten Ereignisse schildern. Wie schon erwähnt, Brot ist nicht da, und Saatgetreide bei den Wenigsten. Von der Regierung durften wir auf nichts warten. Alle Bittgesuche finden keinen Anklang. Auf unsere Wolost, welche 15, 000 Seelen zählt, sind 1050 Pud Saatgetreide herausgeschrieben. Sehr nichtige Ziffern - an uns Mennoniten kommt die Reihe in keinem Falle.
Die Saatzeit ist vor der Tür. Wir haben bereits den April hinter uns, und noch hat niemand die Hand an den Pflug gelegt. Weil nichts da ist. Der Winter war sehr lang, schrecklich grimmig und hat mehr verzehrt, als der kurze Sommer einbringen konnte. Hunderte liegen durch Erkältung und Mangel an Kleidung auf dem Siegbette, an Hungertyphus und an andern verschiedenen ansteckenden Seuchen, ohne jegliches Hemd, im Bette, und fallen dem gräßlichen Tod zum Opfer. Wir stehen am Abgrunde des Verderbens!
Herr Miller. Sie werden dieses vielleicht etwas übertrieben auffassen, weil Sibirien als Brotkammer der Welt gerühmt wird. Ich kann 1000 Unterschriften liefern, nicht nur deutsche, auch russische, welche diese Wahrheit bekräftigen. Dazu ist das Getreide bei vielen unter den Besen requiriert.
Wenn wir keine Hilfe von weiter erhalten, geht der schreckliche Würgeengel an unseren Türen nicht vorüber. Womit sollen wir Tore und Türen bestreichen? Nur das Blut Jesu Christi vermag dieselben zu zeichnen. Uns ist nur dann geholfen, wenn unsere Glaubensbrüder ihre helfende Hand nicht zurückziehen! Oh, wie schrecklich ist Gottes Strafgericht!
Herr Miller. Wir kommen mit der kindlichsten Bitte: Verbinden Sie uns mit nachstehenden Freunden in Amerika, um Food Drasts zu erhalten, und in Besitz der Karten zu kommen, von welchen der "Vorwärts" schreibt. Bitten  um Bericht und genaue Erklärung, was die Karten für eine Rolle für uns individual spielen, und was der Food Drast zu bedeuten hat.
Wenn die Karten hier ausgefüllt werden können, bitten eine Anzahl herzuschicken.
Ist es möglich, wenn wir mit unsern Freunden in Amerika in Verbindung stehen, auf Freikarten, wenn wir erst in Besitz derselben kommen können, auswandern zu dürfen, oder ob eine andere Möglichkeit da ist. Wir sehnen uns nach einem Lande, wo wir unserm Glauben gemäß leben und nach Belieben wirtschaften können. Unser Blick ist auf das gesteckte Ziel gerichtet, "Der Glaube."
Bitten um den Vorwärts, damit wir mehr mit dem Wirken A. M. R. bekannt werden. Bezahlen können wir ihn zwar nicht mit unserm Geld. Es findet sich vielleicht ein barmherziger Wohltäter, der ihn für uns bezahlt. Den innigsten Dank!
Verzeichne Nachtstehende, welche ihre Freunde in Amerika suchen:
1. Gerhard Gerhard Derksen, Geburts und Wohnort Margenau. Später gewohnt im Jekater. Gouv. Dorf Kotlarewka, Mutter Katarina geb. Hübert. Frau: Katarina geb. Töws, Geburtsort Rückenau, Wohnort Waldeck, Mutter geb. Friesen, suchen nachstehende Freunde: Franz Regehr gewohnt in Sagradowka, Rußl. ausgewandert nach California.
2. Franz Nikolai Wiebe, Geburtsort Sagradowka, Tiege, Wohnort Nikolaidorf. Mutter Gertruda, geb. Franz Schröder. Frau: Katarina, geb. J. Wolf, Geburtsort Wernersdorf, Wohnort Nordheim, Jekaterinoslav Gub. Mutter Maria, geb. Joh. Rempel suchen Freunde: Kornelius Joh. und David Johann Regehr gewohnt in Liebenau Rußl. Ausgewandert nach Amerika Minnesota Monto Laco 1876.
3. Witwe Jakob Regehr, Elisabeth, geb. Benjamin Unruh, Geburtsort Karlswald, Wohnort Pornau, Gouv. Taurien, Mutter Lena geb. Tobias Unruh sucht: von Heinrich Tobias Unruh, ausgewandert aus Karlswald Pohlen nach Kansas ungefähr anno 1874.
4. Aron Isaak Löwen, Geburts- und Wohnort Lingnau später gewohnt in Nikolaidorf, Sagradowka. Korrespondirte wegen Ausw., wegen Cholera zurückgeblieben. Frau Lina geb. Joh. Friesen, Geburtsort Krim Wohnort Nikolaifeld Sagradowka, Mutter geb. Schirling suchen: Kornelius Richert, ausgewandert von 72 - 74 nach Lehgh, kansas.
5. Abraham Abr. Unruh, Geburts- und Wohnort Neu Kronsweide, Jekaterinoslav Gub. Meine Mutter Katarina geb. Simon S. Janzen sucht: Simon Janzen´s Söhne Johann und Heinrich, Tochter: Maria, ausgewandert aus Neu Kronsweide nach Kansas anno 1876.
6. Peter Gerh. Derksen, Geburtsort und Wohnort Margenau, später gew. in Jek. Gouv. Dorf Kotlarewka. Meine Mutter Katarina geb. Jak. Hübert, Frau Sarah, geb. Gossen, Geburtsort Alexanderwohl, Wohnort Ebenthal (Memrik), Mutter Maria geb. Rempel Stiefvater Peter Dalke suchen; Heinrich Joh. Rempel, Franz De Vehr, Franz Dück, Peter Kor. und Abraham Dalke, ausgewandert nach Nebraska, Bahnstation Henderson aus Tiegerweide, Rußl. anno 1874.
7. Abraham Wilh. Mantler, Geburts- und Wohnort Baratow Gnadental Jek. Gouv. Meine Mutter Aganetha geb. Wiehler sucht; Heinrich Joh, Wiehler ausgewandert aus Gnadental Jek. Gouv. in den neunziger Jahren.
8. Peter Jakob Kanke, Geburtsort Krim, Meine Mutter Susanna geb. David Günter, Herkunft Pohlen. Meine Frau Aganetha, geb. Pet. Derksen, Geburtsort Neu Horscht Alte Kolonie Wohnort Orenburg suchen: Jakob Zilke´s Kinder. Ihre Mutter Juliana geb. Karl Kanke, Herkunft aus Pohlen, ausgewandert in den siebziger Jahren.
Suchende zeichnen eine Adresse: Dorf Sergejewka, Wolost Troizk, Kreis Slawgorod, Gouvernement Omsk.
Bitten unsere Freunde zu suchen, damit wir in Briefwechsel treten können.
Den herzlichsten Dank für Liebe und Mühe.
Für Nachstehende zeichnet sich in ausgezeichneter Hochachtung und Dankbarkeit: Leh. P. J. Kanke.
Adresse: Dorf Sergejewka, Wolost Troizk, Kreis Slawgorod, Gouv. Omsk.
Lehr. Peter Jak. Kanke.
(Der Rundschau geht auch nach Sibirien, wir nehmen gerne weitere Bestellungen entgegen. Preis $ 1.50 für ein Jahr. - R.)

   
Zuletzt geändert am 2 April, 2018