Brief von einem Unbekannten aus Andrejwka, Aulie-Ata aus „Zionsbote“ in der "Mennonitische Rundschau" Nr. 50 vom 12. Dezember 1894

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" Nr. 50 vom 12. Dezember 1894, Seiten 1-2. (gotisch) von Elena Klassen.

 

Asien.

Andrejwka, 4 Oktober 1894. Am 1. Okt. feierten wir Erntedankfest; obzwar es etwas kalt war, daß Nachts die Wassergruben schon zugefroren waren, so war es Tags doch recht schön. Es war meine Bitte, der Herr Jesus möchte auch auf unserm Feste erscheinen, damit wir auch einen reichen Segen genießen möchten, und er war erschienen! Wir schieden von einander in dem Bewußtsein, daß der Herr Jesus auch auf dem Fest gewesen, denn wir waren reich gesegnet. Sonntag den 2. unterhielten wir das heilige Abendmahl im Segen des Herrn, Nachmittag wurde die Frau des Jacob Friesen, welche den 30. September zur ewigen Ruhe abgeholt wurde, zu Grabe getragen. Diese Schwester war die die Tochter des Paul Wiebe, fr. Friedensdorf, Molotschna. Ihr Leiden, wodurch sie dem leiblichen Tode entgegen welkte, war wohl Wassersucht. Den 8. Juni erkrankte sie, ist also 115 Tage krank gewesen, wovon wohl über die Hälfte der Tage schwere Leidenstage für sie gewesen sind, daß wohl mit Hiob zu sagen ist, daß auch ihr der elenden Nächte viel geworden sind, denn sie hat nur auf einer Seite liegen können und hatte sich schon sehr durchgelegen, doch hat sie ihr Leiden in großer Geduld getragen und fest im Glauben im Aufblick auf den Herrn Jesum als ihren Erlöser uns Seligmacher ausgeharret bis der Herr sie zu sich nahm. Ihre Wallfahrt hier auf Erden ist gewesen 52J., 9M., 1T. Die liebe Schwester hat sich schon sehr gesehnt aufgelöst und bei Christo zu sein. Den 3. war wieder Begräbnis, bei David Reimers sen., Andrejewka; der Herr hat ihnen ihr kleines Söhnchen Franz vom 29. auf den 30. Sept. durch einen schnellen Tod (sie haben es nicht sterben sehen) zu sich genommen im Alter von 1 Monat und 27 Tagen. Es war ein großer Schmerz für die Eltern, und besonders für die Mutter. Jedoch ist der Schmerz der Eltern wohl nicht geringer, die ihr Kind am 1. Okt. durch Ertrinken abgeben mußten. Es ist das Söhnlein der Eheleute Cornelius Janzens jun., Romanowka (Köppenthal); es war schwachsinnig, konnte auch nicht sprechen; es war etwas über 4 Jahre alt. Janzens haben viel Mühe mit dem Kind gehabt, es ist oft weggelaufen, daß sie es nur mit Mühe gefunden; einmal fanden sie es erst mit Hilfe der ganzen Dorfgemeinde im Roggen auf dem Felde. Der Herr gebe, daß wir Seine Wege immer mehr verstehen möchten, ja Er lehre uns allesamt bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden! Bemerke noch, daß es hier den ganzen Sommer nicht soviel geregnet hat, daß der Staub oben gehörig naß geworden ist. Der rechte Regen kam den 21. Sept. Den 22. und 23. Sept. schneite es schon etwas; auf 29. und 30. Sept. fror es so des Nachts, daß viele Kartoffeln erfroren sind, denn im Ganzen waren auf der Ansiedlung bis dahin noch wenig Kartoffeln ausgegraben. Der Gesundheitszustand ist im Ganzen genommen einigermassen gut. Das Wasser in den Zisternen ist schon seit dem 29 Sept. unter einer Eisdeke. (Cor. Zionsbote)
   
Zuletzt geändert am 27 Januar, 2017