Brief von Martin Janzen aus Nikolaipol, Aulieata in der „Mennonitische Rundschau“, Nr. 52, vom 24. Dezember 1890

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" Nr. 52, vom 24. Dezember 1890, Seiten 1-2. (gotisch) von Elena Klassen.

 

Asien
Aulieata, Nikopol (soll Nikolaipol sein – E.K.), 20 Oktober 1890
Auf den Nebel  folgt die Sonne,
Auf die Trauer Freud und Wonne.
Auch wir haben das erfahren in jüngster Zeit im geistlichen Leben. Alles Predigen und Ermahnen schien fruchtlos zu sein, ja sogar nahmen Einige Anstoß daran, doch, Gott sei gelobet, es hat sich geändert. Wenn auch noch Manches zu wünschen übrig bleibt, so ist`s doch eine große Freude, daß das Wort Gottes Eingang gefunden hat in mehrere Kinderherzen.
Unter den Geschwistern wird oft davon gesprochen, daß wir mehr Ernst an den Tag legen müssen, wenn wir vor Gott bestehen wollen.
Sonntag, den 7 Oktober, hatten wir die Freude ein Tauffest zu feiern, die Täuflinge waren Giesbrecht`s Sarah, Buller`s Eva, J.Janzen`s Maria. Es sind auch noch Einige, die in der Arbeit stehen. Der Herr möchte es bewirken, daß auch sie bald fertig werden sich taufen zu lassen und Treue zu halten ihr Lebenlang.
Mit unserm gemeinschaftlichen Bau wurden die Brüder in der vorigen Woche mit Gottes Hilfe so weit fertig, daß wir Sonnabend den 13. Oktober uns mit allen Kindern versammeln durften und so wurde mit der Einweihung des Gotteshauses zugleich auch das Erntedankfest gefeiert. Aus der Köppenthaler Gemeinde waren auch die Meisten, auch die Neugekommenen von Trakt waren ziemlich alle da; es war aber noch Raum für mehr.
Dem Herrn sei Dank, daß er es hat gelingen lassen den Bau soweit fertig zu stellen. Jetzt mangelt es nicht an Raum, sich zum Gottesdienst zu versammeln. Auch sei euch Brüdern in der weiten Ferne gedankt für die Liebesgaben, die ihr dazu gespendet habt. Der Herr segne und vergelte es euch reichlich.
Der Herr bescherte uns zu unserm Fest schönes Wetter, was unsere Freude auch noch erhöhte. Wir waren froh und glücklich und gaben Gott die Ehre für alle Barmherzigkeit und Treue, die Er an uns armen Sündern beweiset. Zuerst wurde ein Morgenlied gesungen, danach sprach Br. Jacob Janzen das Gebet, worauf von Chor einige Lieder gesungen wurden. Darauf sprach unser Aeltester über Lucas 19, 1.-10. Die Gemeinde wurde ermahnt, dem Herrn Opfer zu bringen, denn im alten Bunde wurde auch geopfert. Wieder ein Lied vom Chor, dann betete Aeltester Heinrich Kröker, daß Friede, Liebe, Eintracht und Gerechtigkeit sich möchten begegnen in dem neuen Hause. Ihm folgend, betete Lehrer Jac.Mantler und las den 84. Psalm vor. Er ermahnte dann die Lehrer auf`s Neue, in dem neuen Hause allen Fleiß anzuwenden, die Gemeinde zu lehren, ermahnen und strafen, wenn es nothwendig ist. Die Gemeinde wurde ermahnt, die Herzen zum Tempel Gottes zu weihen, denn der Herr wohnt nicht in Tempeln die mit Händen gemacht sind. Nachdem der Chor abermals gesungen, wurde das Mittagmahl gespeist. Es waren ungefähr 350 Personen zu Tische.
Nach der Mahlzeit sprach Aeltester Johann Regehr ein Lied vor, betete und sprach über die Einweihung des Hauses und das Dankfest, auch über 1 Könige 5, 1.-8., wie es zu Salomo`s Zeit so leicht gewesen, den herrlichen Tempel zu bauen, und hingegen wie es zu Nehemia`s Zeit wegen ihrer Feinde so schwer war, die Stadt und den Tempel zu bauen, und verglich damit unsere Zeit. Lied vom Chor. Dann sprach Lehrer Peter Wiebe über Offenbarung 3, 20.: Siehe, ich stehe vor der Thüre und klopfe an. Er ermahnte zur Dankbarkeit gegen den lieben Heiland, der es so gut mit uns meint, und daß wir sollen bauen als die lebendigen Steine, zu einem geistlichen Bau. Lied vom Chor, dann Pause, in der nochmals gespeist wurde. Gesangführer ist Bruder Jacob Janzen.
Abends sprach Bruder Jacob Dalk über die Worte Psalm 84, 12.13., denn Gott, der Herr, ist Sonne und Schild u.s.w. Ihm folgend sprach Aaron Janzen den Vers vor, Herr deine Huld ist größer als es der Mensch versteht.
Bruder Isaak Penner erzählte, wie er einst  so trostbedürftig gewesen, hin und her gesucht und nichts gefunden, und daß er die „Glaubensstimme“ genommen und beim Blättern das Lied getroffen: „Nach Zions Hügeln zieht`s mich hin“. Da hat er wieder froh sein können. Mehrere Geschwister dankten noch dem Herrn für Seine Güte und Liebe, Gnade und Barmherzigkeit, die Er an uns beweiset, dann wurde Schluß gemacht.
Sonntag versammelten wir Geschwister uns um das heilige Abendmahl zu unterhalten. Bruder Jacob Janzen sprach noch zuvor seinen Dank aus gegen die Brüder für den Fleiß beim Bau, führte noch den Spruch an: „Siehe da, eine Hütte Gottes bie den Menschen.“ (Offenb. 21,3.) und erwähnte dabei das Unangenehme, das die  Mauern unserer Hütte noch umschließt, daß auch noch die Bosheit mit zur Thüre herein kam, und auch die Lahmen und Krüppel sich da befänden. Krüppel und Lahme giebt es hier, aber Gott Lob und Dank nicht im Reiche Gottes. Wir wissen es bleibt nicht so, bald kommt der Herr Jesus und dann werden wir auch gehen können, wenn er die Seinen sammeln wird.

In unserer Gemeinde sind vier: Peter Wiebe, Corn. Dück, Janzen`s Heinrich und Schreiber dieses. Ich bin noch immer der Hoffnung, mein Bein wird bald heil werden, gebessert hat es schon, doch wie es ausfallen wird ist dem Herrn allein bekannt. Uebrigens sind wir mit unseren Kindern und Großkindern gesund, aber Agatha kann noch nicht gehen, wegen ihrer Schwäche. Kranke sind jetzt auf unserer Ansiedlung überhaupt nicht.
Die Ernte war hier diese Jahr mittelmäßig. Heu, auch Getreide, Weizen sehr verschieden. Einige bekamen etwas mehr wie die Aussaat, Andere 2 Batman, 3 ½ auch bis 6 von der Deßj., Hafer 4-7 Batman (Batman – 12 Pud).
Grüße noch zum Schluß alle Leser der „Rundschau“ mit Epheser 3, 16. bis zu Ende. Euer geringer Mitpilger nach Zion.

Martin Janzen
   
Zuletzt geändert am 27 Januar, 2017