Correspondenz aus Chiwa in „Gemeindeblatt der Mennoniten“ vom Juli 1884, Nr. 7, S. 54 und September, Nr. 10, 1884, S. 70 - 71

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

mit freundlicher Genehmigung des Mennonite Library and Archives Bethel College.
Hier geht es zum Digitalisat: "Gemeindeblatt der Mennoniten" im Internet.

Correspondenz aus Chiwa in "Gemeindeblatt der Mennoniten" vom Juli 1884, Nr. 7, S. 54 und September, Nr. 10, 1884, S. 70 - 71

Juli 1884, Nr. 7, S. 54

Correspondenz aus Chiwa.

Lausann, den 9. April 1884.

Theurer Bruder Hege!

Wenn Sie meinen letzten Bericht, Anfangs Februar geschrieben, empfangen haben, so wird es Sie jedenfalls nicht wenig interessieren, nun auch zu erfahren was weiter aus unserem Häuflein in der chiwesischen Oase geworden ist.

Wie ich damals, wenn auch in sehr großer Schwachheit, hoffte, so hat der Herr unsere damalige, sich immer mehr steigernde Noth nachträglich gewendet. Nachdem der Chan (Fürst) von unseren Brüdern, die er hatte hinfordern lassen, Alles erfahren hatte und sich zu gleicher Zeit auch der russische Grenzgebietschef, Herr General Grottenhelm, bei ihm für uns sich verwendete, stellte derselbe sofort Wache bei uns an, ließ die ganze Sache untersuchen und die Diebe nach Chiwa (Hauptstadt) bringen. Auch die Rückerstattung des geraubten wurde uns verheißen. Aus ihnen aber auf Veranlassung gesagt wurde, daß wir`s nicht mehr zurück fordern könnten, hat man`s aber, jedenfalls auch gerne, unterlassen. Die Diebe wurden auch bald, bis auf zwei, freigegeben; wir sind aber bisher von Niemandem mehr beunruhigt worden. Um auch fernerhin ungestörter leben zu können, hat uns der Chan einen großen mit Lehmmauer umgebenden Obstgarten mit dem dazu gehörigen Ackerlande gegeben. Und vier Tage sollen schon die Arben (hiesige zweiräderige Wagen) und Kajucks hier sein, die die uns 37 Familien mit allen unseren Sachen sammt dem Bauholz dorthin abholen. Alles stellt Chan unentgeltlich. Ein Theil von uns, nämlich 25 Familien, gedenken aber, wie ich schon im letzten Schreiben anzeigte, mit uns zugleich nach Amerika aufzubrechen; sie wollen den Weg über Kungrad am Amu – Darja nach Orenburg, ca. 1000 Werst*) von hier, fahren. Heute feierten wir das letzte gemeinschaftliche Abend- und Liebesmahl.

So Gott will, schreibe ich von unserem neuen Ansiedlungsorte, Ack – Metschetd umständlicher.

Mit herzlicher Begrüßung Ihr

E.R. (Emil Riesen – E.K.)

September, Nr. 10, 1884, S. 70 - 71

Verschiedenes.

Die Mennoniten aus Chiwa.

Der „Bundesbote“ macht Mittheilung, dass die Brüder aus Chiwa, welche die Reise nach Amerika angetreten, den Weg durch die asiatische Wüste bereits glücklich zurückgelegt haben und im Juni in Orenburg, einer Stadt im asiatischen Rußland, eingetroffen sind. Den beschwerlichsten Theil ihrer Reise haben sie zurückgelegt, denn von Orenburg an können sie die Eisenbahn benutzen. Es sind 23 Familien mit circa 130 Seelen auf dem Wege nach Amerika. Die zurückgebliebenen 39 Familien haben am Tage vor der Abreise der 23 Familien auch ihre Ansiedlung verlassen, um den ihnen vom Khan angewiesenen Platz in der Nähe der Hauptstadt zu beziehen. Die ihnen gestohlenen Sachen im Werthe von 3700 Rubel (a 3 Mk.) sollen ihnen wieder ersetzt werden, wenn das gegebene versprechen gehalten wird. Es wird von den dortigen Brüdern geschrieben: „Man kann den Brüdern die Treue nicht absprechen und darum wird der erbarmungsreiche Herr ja auch in Gnaden drein sehen, aber schwere Wege kann es wohl noch geben, zumal durch die Gefangennahme der Verbrecher die Umgebung und noch feindlicher gesinnt ist, wie denn überhaupt Zeichen dafür da sind, daß die Vorgänge in Egypten die ganze mohammedanische Welt bewegen. Auch von Seiten russischer Beamten sind wir darauf aufmerksam gemacht worden, jene Vorgänge nicht zu übersehen; sie selbst, die russische Regierung, müsse ihr Auge scharf darauf richten. O, es ist eine sehr ernste Zeit!„