Hilferufe; Briefe von Heinrich Nickel und Peter Horn; General – Quittung aus (in) Asien in "Christlicher Bundesbote" vom

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

15 Juli 1884, Nr. 14, S. 5 - 6

Eines lieben Besuches

Durch unsern werthen Collegen Br. J. F. Harms, von der „Mennonitische Rundschau“, durften wir am 4. Juli uns erfreuen. Die nächste Veranlassung dieses Besuches war die Unterstützungsbedürftigkeit der Brüder von Aulie – Ata in Asien, welche dringende Hilferufe ergehen lassen, die an einer andern Stelle dieses Blattes nähere Erörterung finden. Br. Harms begab sich von hier aus zu Aelt. A. Schellenberg Gemeinde, um Briefe aus Asien dorthin zu bringen und nächste Woche soll, so Gott will, in Gnadenau eine Zusammenkunft des dortigen Comites mit Vertretern der Schellenberg Gemeinde und des Amerikanischen Mennonitischen Hilfscomites stattfinden, zum Zwecke gemeinsamen Handelns in Angelegenheiten der Aulie –Ata – Emigrante. Ueber das Resultat wird im „Bundesboten“ und in der „Rundschau“ s.Z. berichtet werden.

Zwölf Familien in Aulie – Ata, Asien

Sind reisefertig zur Auswanderung nach Amerika und warten sehnsüchtig auf Hilfe durch das Amerikanische Mennonitische Hilfscomite, welches ja auch sehr gerne zu helfen bereit ist, soweit demselben solches möglich gemacht wird, durch Einsendung von Gaben für diesen Zweck. Hoffen wir daher gerne, daß unsre jetzt wieder so reichen Erntesegen einheimsenden, hiesigen Brüder Herzen und Hände öffnen werden für die, der Hilfe so drimgend benöthigten Glaubensgenossen in Asien, damit auch diese den dortigen Nothständen entgehen und hierher kommen können, um theilnehmen zu können an den Segnungen, die durch Gottes Vaterhuld und Güte uns in so reichlichem Maße zu Theil werden, und die uns darum auch eine ernste Ermunterung zu einem angemessenen Dankopfer in Gestalt von Liebesgaben für die Bedrängten in Asien sein mögen. Es gibt viel zu thun für die Brüder, (und darum für Jesum) das wird dem geneigten Leser heute auch an andern Stellen dieses Blattes nahe gelegt.

Nahezu $ 5000 sind nöthig,

um den bereits eingelaufenen allerdringendsten Hilferufen von Aulie – Ata nachkommen zu können, und noch stehen dem Amerikanischen Mennonitischen Hilfscomite kaum die Hälfte dieser Summe für obigen Zweck zur Verfügung, darum ergehet hiemit wiederholt die Aufforderung und Bitte, um weitere Gaben für die Emigranten von Aulie – Ata. Durch das anerkennens- und lobenswerthe Eintreten des Nebraska Hilfscomites für die Chiwa – Emigranten, resp. durch Garantierung der Reisekosten für dieselben, ist für Brüder aus Chiwa jetzt in solcher Weise gesorgt, daß deren Herüberkunft möglich ist. Anders ist es mit den Brüdern von Aulie – Ata, für die kein Spezialcomite sich in den Riß stellt, sondern die auf die Mitthilfe durch das Amerikanische Mennonitische Hilfskomite angewiesen sind, und dieses Comite kann für Aulie – Ata nur solche Gaben vewenden, die für diesen Zweck eingehen, und daher bittet dieses Comite um Gaben auch für die Aulue – Ata – Emigranten. Beiträge für das Amerikanisch – Mennonitische Hilfskomite werden mit Dank entgegengenommen und demselben zur bestimmungsmäßigen Verwendung gerne zugestellt durch:

Abraham Sudermann, Newton, Kann., Schatzmeister.

John F. Funk, Elkhart, Ind., Editor des „Herold der Wahrheit“.

John F. Harms, Canada, Marion Co., Kan., Editor der “Mennonitische Rundschau”.

David Goerz, Halstead, Harvey Co., Kan., Editor des “Christlichen Bundesboten”.

Dringende Hilferufe aus Asien.

Köppenthal bei Aulie – Ata, Asien, 7. Mai 1884.

Geliebter Bruder in Christo, David Goerz!

Ich fühle mich gedrungen, mich an Sie, wenn gleich unbekannter Weise, zu wenden. Meine ergebenste Bitte ergehet deßhalb an Sie, ob Sie nicht Wege und Mittel für mich wissen, daß ich mit meiner Familie nach Amerika hin kommen könnte. Ich nehme meine Zuflucht zu Euch, geliebte Brüder in Amerika, ob es nicht möglich wäre, mir Reisegeld zukommen zu lassen, denn wir sind hier in eine recht gedrückte Lage gerathen. Ich habe auch eine recht große Familie und habe keine Aussicht, daß ich mich hier werde ernähren können. Ich will zugeben, daß wir unser Brod haben können, aber doch nur kümmerlich; aber wo bleiben dann die Kleider oder sonstige Ausgaben? Denn Einnahme ist hier gar keine. Zu verdienen ist nichts. Getreide baut man hier nicht so viel, daß man etwas verkaufen kann. Ich habe mir bis jetzt noch mit meinem Gelde helfen können, aber jetzt ist es alle geworden, wie es weiter werden wird, das weiß Gott allein. Ich habe noch keine amerikanischen Hilfsgelder bekommen. Aber jetzt thut es uns noth, darum erbarmt Euch und helft uns nach Amerika.

Geliebter Bruder in Christo! Ich hoffe, daß Sie meine Bitte werden erfüllen können, daß sich doch Reisegeld bekommen könnte; ich bitte Sie herzlich darum!

Heinrich Nickel.

Köppenthal, Asien 8. Mai, 1884.

Geliebter Bruder in Christo!

Der Friede Gottes walte in aller Herzen. Amen!

Mit schwerem Herzen ergreife ich die Feder, um, wiewohl von Angesicht unbekannt, doch einige Zeilen an Sie zu schreiben. Nicht unbekannt wird Ihnen unsere Reise aus unsrer alten Heimath hierher in Mittelasien und der Beweggrund dazu sein, wie auch Bruder Nickel schon in seinem Briefe angedeutet hat. Ich sehe mich hier in vielen Stücken getäuscht. Die Freiheit wird uns nicht so gewährt, wie wir sie wünschen, auch das zeitliche Fortkommen, im Hinblick auf meine sechs Kinder, die mir der Herr geschenkt, ist fraglich, denn meine schöne Wirthschaft an der Wolga habe ich unter dem halben Preise, nämlich für 2000 Rubel verkauft, da waren auch noch Schulden abzuzahlen, das Uebrige ist auf der beschwerlichen, weiten Reise und bei hiesiger Ansiedlung daruf gegangen. So befinde ich mich mit den lieben Meinen gegenwärtig in solch drückender Armuth, daß wir oft in acht Tagen nur von Gerstenkaffee und Brod gelebt haben bei schwerer Arbeit.

Aber dieses würde sich wohl mit der Zeit ändern, nur wo die Kleider und sonstigen Ausgaben herkommen sollen, das weiß ich nicht. Ich habe zwar 5 Dess. (ca. 12 Acre) Weizen und 2 Dess. Hafer gesäet und diese geben wohl das nöthige Brod, wenn der Herr seinen Segen dazu schenkt, aber das gibt immer noch keine Einnahme. Das Getreide soll auch bewässert werden und wir können das Bewässern nur schlecht vertragen, weil man dabei immer im Wasser stehen muß. Es sind hievon schon einige Jünglinge verkrüppelt. Geld, zum Dingen von Kirgisen, ist auch nicht und sonst etwas zu verdienen, gibt es auch nicht, und so ist wie Sie sich wohl denken können, für einen Familienvater der Blick in die Zukunft trübe und wohl geeignet, das Herz mit Sorgen zu erfüllen. Ich will aber nicht verzagen, der Herr hat uns ja die Verheißung in seinem Wort gegeben: „Ich will dich nicht verlassen, noch versäumen,“ nur müssen wir auch das Unsrige thun, und so wende ich mich denn, gestützt auf die vielen Wohlthaten, die uns schon durch Ihre Hand von dort her zugestoßen sind, an Sie, und alle dortigen mithelfenden Brüder mit der herzlichen Bitte, mir und den Meinigen, wenn es möglich wäre, hinüber zu helfen, wo, wie ich aus verschiedenen Blätter, wie „Rundschau“ sehe, einem fleißigen Manne eine gesicherte Existenz in Aussicht steht. Hier sind wir aber von allen Mitteln so entblößt, daß wir ohne Hilfe nicht einen Schritt weiter thun können, ja, da sind so zu sagen keine Hemden, noch sonstige Kleider mehr, alles ist durch die vielen Strapatzen abgerissen, weil schon so lange nichts dazu geschafft werden konnte. Mit Sehnsucht hoffe und harre ich einer baldigen Antwort von Ihnen und mit derselben auch einer kleinen Unterstützung aus milden Herzen und Händen der dortigen Brüder.

Ihr Sie herzlich grüßender Bruder in Christo

Peter Horn.

Gnadenfeld, 11. Mai 1884.

Lieber Bruder!

Ich grüße Dich in dem Herrn Christo Jesu, und mein Wunsch ist, daß dieser Brief möchte eilends in Deine Hände kommen. Sehnsuchtsvoll haben wir hinausgeblickt, um von Euch lieben Brüdern Hilfe begrüßen zu können, aber wir sehen, daß wir verfehlet haben, indem wir das Personenalter nicht gleich angegeben haben. Durch diesen Verfehl sehen wir, daß uns eine schöne Zeit verloren geht. Doch aber muntert uns Deine Nachricht ernstlich auf zum Zuge, indem wir auch in der festen Hoffnung stehen, daß eine kleine Summe vielleicht schon unterwegs sein kann, so es aber nicht so sein sollte, so bitten wir alle herzlich, so eilends, wie möglich, etwas zu senden, wir sind alle bereit zum Abreisen.

David Schmidt, Johann Bärgen, Isaak Krop (Koop – E.K.), Geo. Riffel, Franz Kroeker, David Schulz, Corn. Renner (Reimer – E.K.) Pet. Eck.

Außerdem haben sich an Gemeinden direkt gewendet: Ben. Wedel, Cornel. Funk.

(s. diese Namen unter Liste von Mennoniten, die aus Aulie-Ata, Turkestan, Chiwa, Buchara nach Amerika ausgewandert sind, aus der Zeitung „Mennonitische Rundschau“ von 1881 bis 1914. )

General – Quittung.

Nikolaipol bei Aulie – Ata, Asien, 13. Mai 1884.

Lieber Bruder D. Goerz!

Da ich nicht weiß, ob und wie viel meiner Quittungen über erhaltene Gelder, in Deine Hände gelangt sind, so sei hiermit kundgegeben, daß durch unseres treuen Vaters Güte, seit Neujahr 1884, durch die Warschauer Bank in meine Hände gelangten oder in unserem Postamt erschienen:

Den

7. Januar 2 Pakets 243.00 Rubel.

18. Januar 1 160.00

16. Februar 1 120.00

23. Februar 1 19.50

23. Februar 1 260.00

27. März 1 29.50

27. März 1 26.00

5. April 1 26.00

26. April 1 158.00

Im Ganzen..................................1042.00 Rubel.

Was die Privatsummen darunter betrifft, als:

120 Rubel für C. Esau,

19 Rbl. 50 Kop. für G. Riffel,

52 Rbl. für Th. Koop,

158 Rbl. für P. Dahlke,

das hat alles seine Nichtigkeit. Es herrschte eine Zeit lang etwas Dunkel, da mir aber glücklicher Weise der „Bundesbote“ zu Händen kam, der hier in einem Exemplar in unsere Ansiedlung kommt, so klärte sich die Sache.

Es sei denn im Namen unserer Brüder, den lieben Gebern der wärmste Dank gesagt, es ist uns nun ein Großes geholfen in unserer Bedrängniß.

Sechs Familien schicken sich an zur Reise nach Amerika. Dieses Frühjahr mit dem vorjährigen verglichen verspricht eine reichere Ernte. Der Gesundheitszustand ist nach wie vor gut. Gestorben ist in diesem Jahr ein Kindlein vor einigen Monaten.

Herzlich grüßend dein Bruder in Christo

Jak. Janzen.

Die Chiwa – Emigranten in Orenburg.

Es sind Nachrichten eingetroffen, daß die Brüder aus Chiwa, welche die Reise, nach Amerika angetreten, den Weg durch die asiatische Wüste bereits glücklich zurückgelegt haben und in Orenburg eingetroffen sind, wo sie allem Anscheine nach aber noch ein Mal Aufenthalt bekommen können, wegen ihrer Paßangelegenheit, wie bereits an einer andern Stelle dieses Blattes angedeutet worden ist. Abgesehen von den Schwierigkeiten mit den Pässen, haben sie aber wohl den beschwerlichsten Theil ihrer Reise hinter sich, und erst in den Besitz der Pässe gelangt, dürfte es nicht mehr sehr lange dauern, bis sie ihren Fuß auf Amerika`s Ufer setzen und bei den, sie erwartenden Freunden und Verwandten, sich ausruhen dürfen von den Reisestrapatzen. Daß solches bald der Fall sein möchte, ist unser Wunsch und Gebet.

Aus Chiwa:

Wird geschrieben: Was nun unsere gegenwärtige Lage bertifft, so ist augenblicklich Ruhe eingetreten. Nach den Verbrechern ist stark gefahndet worden und es sind auch 11 Mann eingefangen und nach Chiwa gebracht worden. Dann ist uns auch vom Chan ein Stück Land in der Nähe der Hauptstadt Chiwa angeboten worden, mit dem Versprechen, uns auf seine Kosten dorthin zu stellen und für uns dort, als für unsere Kinder zu sorgen. Doch haben wir für solche Versprechungen recht wenig Vertrauen, zumal wir schon so oft hinter`s Licht geführt worden sind. Doch sind einige Brüder hingereist, die Sache näher zu erkunden. Gott der Herr wolle in Gnaden vor allem Betruge bewahren!

Die gestohlenen Sachen sind aufgeschrieben worden mit dem versprechen, daß es Alles ersetzt werden sollte. Es kam die Summe von 3700 Rubel heraus. Der Theil der Gemeinde, der nicht mit uns nach Amerika gehen will, hat, wohl war, die Absicht, auf dem gegenwärtig bewahrten Platze zu bleiben, um sich nicht eigenmächtig den Versuchungen zu entziehen. Man kann den Brüdern die Treue nicht absprechen und darum wird der erbarmungsreiche Herr ja auch in Gnaden drein sehen, aber schwere Wege kann es wohl noch geben, zumal durch die Gefangennahme der Verbrecher die Umgebung uns noch feindlicher gesinnt ist, wie denn überhaupt zeichen dafür da sind, daß die Vorgänge in Egypten die ganze mohamedanische Welt bewegen. Auch von Seiten russischer Beamten sind wir darauf aufmerksam gemacht worden, jene Vorgänge nicht zu übersehen, sie selbst, die russische Regierung müsse ihr Auge scharf darauf richten. O es ist eine sehr ernste Zeit!

Einem andern Briefe aus Chiwa entnehmen wir die Nachricht, daß die Depeschen, welche den Chiwa Brüdern Hilfe zur Reise in Aissicht stellten, dort angekommen sind, und zwar am 11. und 23. April; ein lieber Bruder schreibt, wie ihnen dadurch „ein Stein vom Herzen herab ist, und wir sind gestärkt worden, in dem Vertrauen auf die Hilfe des Herrn, der auch die andern Hindernisse beseitigen kann.“ Der Brief datiert vom 30. April, nachdem sie eine Tagereise hinter sich hatten, aus Sadschili in Chiwa; sie reisen zu Wagen und hoffen nach 5 wöchentlicher fahrt in Orenburg einzutreffen; aber die Paßangelegenheit dürfte doch noch einigen Aufenthalt dort geben, er schreibt darüber: „Die Paßangelegenheit ist für uns ein schwieriger Punkt, wir haben nur bis Orenburg Pässe bekommen, dort sollen wir andere haben, da die Regierung aber uns nicht günstig ist, so erwarten wir die Pässe nicht gleich, es wird unsertwegen wohl erst in Petersburg angefragt werden müssen, weil wir wohl in Chiwa aufgenommen waren, aber von Rußland noch nicht entlassen sind.“ Es sind 23 Familien mit ca. 130 Seelen auf der Reise hierher, 39 Familien sind in Chiwa zurückgeblieben, doch nicht auf ihrem bisherigen Platze, sondern sind auf Wunsch und Vorschlag der Chiwa`schen Regierung, in die Nähe der Stadt Chiwa gezogen, wo ihnen, wie in einem Briefe gesagt, mehr Schutz gewährt werden könnte. Diese 39 Familien sind am Tage vor der Abreise unserer 23 Familien abgezogen. Jene junge Ansiedlung ist also ganz verlassen; er schreibt: „Unsere ganze Ansiedlung fällt in Trümmer, sie bietet jetzt ein Bild alles Irdischen und Vergänglichen, wenn man`s ansieht, erfaßt Wehmuth das Herz.“ Die Lieben dort haben jetzt wohl nicht viel Zeit zum Briefschreiben, wollen aber von Orenburg wieder berichten. (Da sie nun den letzten Nachrichten zufolge bereits in Orenburg eingetroffen sind, so dürften wir wohl bald wieder von diesen Emigranten hören. Die Red.)