Nachrichten über die Auszugsgesellschaft, Asien in "Christlicher Bundesbote"

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

vom 15 Januar 1882, Nr. 2, S. 5 - 6

Asien.

Weitere Mittheilingen über die Gesellschaft, welche, um dem Weltgesetz zu entfliehen, aus Turkestan nach Buchara zog.

Die letzte Mittheilung vom Einsender dieses schloß damit, daß eine Anzahl Familien sich zum Auszuge aus Rußland aufgemacht hatten. Sie gingen aus, wie Einer in seinem Abschiedsgruß sagte, dem Geheiß Gottes folgend: „Gehe, mein Volk, in deine Kammer und schließe die Thür hinter dir zu, bis der Zorn vorübergehe“. Etliche weitere Familien von der Molotschna her schlossen sich noch dem Zuge an. Getrosten Muths ergriffen sie den Pilgerstab, das Zeugniß in sich habend: „Der Herr wird`s versehen“. Von diesem innern Zeugniß sagt einer jener Brüder: „Möge es gleich vor der Welt thöricht erscheinen, wir können die uns gegebenen kräftigen und mächtigen Zeugnisse nicht wegleugnen.“

Vor dem Uebergange über die Grenze wurde der Gesellschaft amtlich mit Unterschriftnahme eröffnet, daß, wenn sie wirklich über die Grenze gehen würden und danach wieder zurückkehrten, sie bedingungslos der vollen Wehrpflicht unterliegen würden. Ferner wurden sie noch gewarnt und ihnen gesagt, daß nur zweierlei bevorstände, entweder Rückkehr oder Untergang. Die Brüder antworteten, daß sie Treue zu bewahren hätten bis in den Tod. Einer der Hervorragenden an Bildung unter früherer Freisinnigkeit unter ihnen drückte sich darüber so aus: „Eins ist gewiß, wir werden weder zurückkehren, noch umkommen; denn nicht zum Verderben hat uns der Herr mit wunderbarer starker Hand ausgeführt. Kein Rückwärts, sondern nur ein Vorwärts hat Gott für uns bereitet. Wenn wir auch das zeitliche Leben verlören, so hoffen wir auf das zukünftige, welches unserer wartet.“

Ein russischer Beamter, welcher sich sehr theilnehmend zeigte und auch mit seiner Frau dem Gottesdienste der Brüder beigewohnt hatte, sagte ihnen, daß der Gouverneur einem vierzig Werst von der Grenze wohnhaften Bey (höherer türk. Titel – E.K.) ihr Kommen schriftlich gemeldet hätte, mit dem Hinzufügen, daß russischerseits der dortigen Aufnahme nichts entgegenstände. Aehnlich hatte man früher den Deputierten in Buchara gesagt, daß, wenn der General – Gouverneur es wünsche (?), man sie dort aufnehmen könne. In alledem erblickten die Brüder nun einen „Lichtstrahl“ auf ihren Verbleib und überschritten die Grenze. Jenseits der Grenze erschien bald ein ehrwürdig aussehender Buchare, welcher von Bey den Auftrag hatte, nachzusehen, wo sie geblieben wären; denn man erwarte sie schon und sei Land und Wasser, auch ein Markt zum Einkauf der Bedürfnisse für sie da. Unter der Hand, sagte er weiter, habe man sie schon früher im Auge gehabt, nur durfte man nicht vor der Kundgebung des Gouverneurs frei handeln. Andere vornehme Bucharen kamen und erkundigten sich nach Handwerkern, insonderheit nach Verfertigern von Flinten und Säbeln.

Wie weit von der Grenze ist nicht gesagt, doch bald gab es Aufenthalt, eines Radbruches halber. Auf diesem Lagerplatz erschien ein bucharischer Polizist, fragte mancherlei und ritt wieder fort. Bald aber kam er wieder mit noch drei andern Beamten, die nun Vieles aufschrieben, als Familien- und Seelenzahl, Wagen, Pferde u.s.w. Danach forderten sie zwei Brüder auf, mit ihnen zum nächsten Beck (Polizeibeamten) (höherer türk. Titel – E.K.) zu reiten. Dort wurden sie ebenfalls einem Verhör über ihr Vermögen, ihren Glauben u.s.w. unterzogen und dann mit dem Bescheid entlassen, daß man sofort an den Emir berichten werde und sie in drei Tagen Nachricht erhalten würden. Nach drei Tagen holte der Polizist die beiden Brüder wieder ab. Sie wurden aber nun weiter ausgefragt, alles aufgeschrieben und die Antwort um weitere drei Tage versprochen. Und wirklich traf die Resolution auf die bestimmte Zeit ein, aber welche? Daß Buchara nicht allein die Aufnahme im Lande versage, sondern auch nur den Durchzug durch`s Land unter keiner Bedingung gestatten werde. Mit dem zugleich wurde von vier Beamten, welche mit dem bekannten Polizisten im Lager erschienen, der sofortige Rückzug befohlen und auf solche Eile bestanden, daß Einige, welche noch nicht zu Mittag gegessen hatten, es schon nicht durften; an Reparatur zweier sehr reparaturbedürftiger Wagenräder schon gar nicht zu gedenken; denn, sagten die Beamten, sonst koste es dem Beck den Kopf. In größter Eile wurde aufgepackt und der Rückzug angetreten; dennoch getrosten Muths und fröhlich im Herrn, wissend und glaubend, daß, wie der Herr sie nicht zum Verderben hinausgeführt, auch nicht zum Verderben zurückführen werde. Das war am 9. September. Dicht an der russischer Grenze schlugen sie wieder ihr Lager auf. Zwei Brüder, welche nach Katekurgan zur Post hinüber ritten, trafen dort den Beamten, welcher ihnen früher seine Theilnahme bezeugt hatte. Dieser führte sie zum örtlichen Chef. Derselbe sagte ihnen, nach Anhörung ihrer ausführlichen Darstellung, daß sie gerade auf der Grenze liegen bleiben sollten, wo noch Land sei, welches weder zu Rußland, noch Buchara gehörte und nicht unter dem Gesetz stehe. Da hätten sie mit der Regierung nichts zu schaffen, aber auch gar nichts zu verlangen. „Sie pachten das Land von uns,“ sagte er, „wir werden es Ihnen besorgen und Sie zahlen die Pacht an uns, weiter nichts. Für jetzt sind nur 40 Desjatine frei, aber es kommt jährlich mehr hinzu. So lange Buchara selbständig bleibt, bleiben auch Sie frei; fällt es aber zu Rußland, so wird auch da das Gesetz eingeführt und Sie müssen weichen, wenn Sie Ihren Glauben bewahren wollen.“

Dort haben die Brüder nun eine vorläufige Ruhestätte ohne Weltgesetz gefunden und sich gelagert, in dem unerschütterlichen Glauben: „Trachtet nach dem Reiche Gottes; das Andere wird euch von selbst zufallen.“ Darunter wollen sie aber nicht verstanden haben, daß man sich nun hinsetzen und die Hände in den Schooß legen solle. So weit diese Berichte.

Andern Nachrichten zufolge, dürfte der diesjährige Zug wobei Klaas Epp, in der Festung Kasalinsk am Aralsee, die Benachrichtigung „Poste Restante“ angetroffen haben, daß von dort eine gute Karawanenstraße direkt und viel näher als über Taschkent, nach Katekurgan führt. Und weil Familien im Zuge sind, die erst nach Taschkent zu den andern Brüdern gehen wollen, möchte es dort schon zu einem wenigstens vorläufigen Auseinandergehen gekommen sein. Auch hört man, daß neulich in den Kolonien an der Molotschna ein Schreiben aus Taschkent erhalten worden sei, worin der Tod des Aeltesten Abraham Peters, das Haupt der Bewegung an der Molotschna, gemeldet worden sein soll.

Wer die frühere, man kann wohl sagen bisherigen Zustände in Rußland kennt, und gelesen und gehört hat, wie es in Turkestan, besonders hinten zur Grenze hinaus bestellt ist, bei dem wird die obenerwähnte Erklärung des Chefs von Katekurgan wohl einen langen Gedankengang zur Folge haben.