Dr. Karl Stumpp Gruppe 1941-42

 

Der Reichsminister

Fuer die besetzten Ostgebiete

 

 

 

Dorfbericht

(abgefasst im Monat Mai 1942)

 

I. Genauer Name des Dorfes: deutsch                         Chortitza

                                                                 russisch                        Chortitza

                                                                 zur Bolschewistenzeit Chortitza

   Rayon: Chortitza  0 km

   Kreisgebiet: Saporoshje 18 km        Generalbezirk: Dnepropetrowsk   -  km

   Post: Chortitza  0 km                         Bahnstation: Chortitza 0 km

   Beilagen: Kartenskizze –                  Gruendungsjahr:  1789

                    Dorfplan -

 

II. Einwohnerzahl:

 

 

Deutschen

Ukrainer

Russen

Juden

Andere

Insgesamt

 

a1

b2

a1

b2

a1

b2

a1

b2

a1

b2

a1

b2

Personen

2178

2022

11507

6180

-

-

402

-

5

3

14092

8205

Familien

586

557

3507

1521

-

-

100

-

3

2

4206

2080

 

   Wie viele von den Deutschen Familien sind ohne Oberhaupt? 368

   Zahl der Deutschen in den Jahren: 1911 – 2861; 1926 – 2900; 1930 – 2600;

                                                       1933 – 2100; 1936 – 2215; 1941 – 2178; 1942 – 2022.

 

III. Zahl der gemischten Ehen: 73

      Davon: a) fremdstaemmige Maenner:  41

                    b) fremdstaemmige Frauen: 32

                    c) juedische Ehepartner: 1

               d) Anzahl Kinder aus den Mischehen:3    m. 54; w. 50; insges. 104.

                        (diese Kinder sollen in der Zahl bei IIb enthalten sein).

 

VI. Aufteilung der Deutschen:

a)       Zahl der deutschen Maenner: 3  336

b)       Zahl der deutschen Frauen: 3     760

c)       Zahl der deutschen Jugendlichen: (bis 18 Jahren4 )    m. 443; w. 379; insges. 822.

 

-------------------------------

a1)  = vor dem letzten Krieg (Juni 1941)

b2)  = heute

3)   bei Mischehen zaehlt der deutsche Ehepartner zu IVa , bezw. IVb, die Kinder zu IIId.

4 )  alle ueber 18 Jahre alten zaehlen zu denn Maennern oder Frauen, auch wen sie unverheiratet sind.

 

V. Herkunft: (Bei Tochterkolonien die Mutterkolonien angeben, aus denen die Einwohner stammen; bei Mutterkolonien – die Uhrheimat

                             in Deutschland angeben.)

Chortitza ist die aelteste deutsche Kolonie in der Ukraine. Unter der russischen Kaiserin Katharina II warb ein Beauftragter der Kaiserin G. v. Trappe in Danzig und Umgebung deutsche Kolonisten fuer die Ukraine. Diese schickten im Jahre 1876 die zwei Deportierten Jakob Hoeppner und Johann Bartsch nach Russland, geeignetes Siedlungsland zu suchen. Nach ihrer Rueckkehr zogen viele aus der Danziger Gegend nach Russland und kamen im Jahre 1789 in das Tal Chortitza an. Hier gruendeten sie die erste deutsche Kolonie auf ukrainischen Boden, die nach dem Fluss den Namen Chortitza erhielt. Chortitza ist gegenwaertig auch das ehemalige Nachbardorf Rosental  (ungewandert) einverteilt?

a)      Unterrichtssprache in den letzten Jahren: Bis 1938 war die Unterrichtssprache deutsch, dann wurde sie russisch, und Deutsch wurde von der 5. Klasse als Fremdsprache unerrichtet. Kinder, die nach 1938 nur 4 Klassen besuchten, haben also ueberhaupt nicht deutsch gelernt.

b)      Schulgrade, Dauer der Schulzeit, Schulzwang, Schulbesuch, Lehr- und Lernmittel, Schulraeume, Fach- oder Klassensystem: 2 Dorfschulen und eine Zentralschule (Desjatiletka). In der Dorfschulen sind je 4 Klassen, in der Zentralschule gegenwaertig 4 hoehere Klassen, die auf die 4 Klassen der Dorfschule aufbauen. Die __ Klasse hat eine Parallelklasse. Der Schulunterricht beginnt am 1. September und endet Mitte Juni. Schulzwang war in der Sowjetzeit fuer 7 Schuljahre, heute ist noch nichts bestimmt. Der Schulbesuch ist gut, im Winter konnten manche Kinder die Schule wegen Kleidermangel  nicht besuchen. Lehr- und Lernmittel fehlen gaenzlich, erst in letzter Zeit haben die Schueler WiduKind-Tafeln und Landkarten erhalten. Frueher war in Chortitza noch eine Maedchenschule und ein deutsches Lehrerseminar. In diesem Jahre feiert es das hundertjaehrige bestehen seiner Zentralschule, die 1842 gegruendet wurde. Im April-Mai fanden 2 Schulungslager fuer volksdeutsche Lehrer in Chortitza statt.

 

Zahl der Schulkinder:

 
Gesamt
Knaben
Maedchen
1 Grundschule
85
38
47
2 Grundschule
94
51
43
Mittelschule
141
46
65
Gesamt
320
165
155

 

 

   c)   Lehrer (deutsche oder nichtdeutsche):  17

I.                    Grundschule: =4: Peter Harder, Leitender; Frau Helena Janzen; Frau Helena Winter; Frau Maria Froese

II.                 Grundschule: =4: Frl. Helena Ens; Frau Marg. Penner; Frau Marg. Siemens; Frl. E. Funk

III.               Mittelschule: =9:  Anna Sudermann, Leiterin; Frau Anna Lehn; Johann Janzen; Frau Agnes Epp; Frau L. Froese; Frl. Anna Penner; Heinrich Epp; Frau Hiersack; Frl. Weisshaar; Wilhelm Weisshaar

         Zahl der Lehrer: deutsche 17, nichtdeutsche -

   

   d)   Gibt es unter den Deutschen Analphabeten? schaetzungsweise zehn Personen

   e)   Sprache im elterlichen Hause: deutsch und zwar groesstenteils plattdeutsch

   

 

 

VII. Kulturelles Leben:

 

a)      kulturelle Einrichtungen 5 Schulgebaeude von denen zwei gegenwaertig mit Soldaten belegt sind. Ein Kino mit 170 Sitzplaetzen. Gegenwaertig 3-4 Vorfuehrungen woechentlich. Das Kino befindet sich auf dem Fabrikhof. Eine Kirche die zur Sowjetzeit ein Kino war, jetzt aber wieder als einfaches schlichtes Betthaus eingerichtet ist.

b)      Buechereien ( Zahl  der deutschen und nichtdeutschen Buecher, Zergliederung dem Inhalte nach Lesefreudigkeit usw.)

Zur Sowjetzeit waren grosse Buechereien, die alle vernichtet sind, weil sie fast ausschliesslich bolschewistische Buecher enthielten. Die Lesefreundlichkeit war damals sehr schlecht, da die deutsche Bevoelkerung sich fuer diese Lektuere nicht interessierte. Gute deutsche Buecher werden sehr gerne gelesen. Frueher war eine gute deutsche Buecherei, die sehr benutzt wurde. Im Winter laufen die Leute von Haus zu Haus – suchen sich deutsche Lektuere. Gegenwaertig erhaelt man in Chortitza  23 Ex. der „Deutschen ukrainischen Zeitung“.

c)       Bildvorfuehrungsapparate und dazugehoerige Bestandteile und Einrichtungen: Im Kino ist ein  Bildvorfuehrungsapparat. Das Kino selbst ist in der Fabrik „Berg- und Huettenbau“ eingerichtet.

Ob Strom vorhanden ist (Art und Spannung angeben): Strom ist vorhanden. Wechselstrom. Stromstarke 220V.

d)      Gesangchoere: Ein Chor mit zwei Dirigenten einer fuer Kirchgesang und einer fuer Volkslieder. Saenger sind dieselben. Der Chor zaehlt gegenwaertig etwa 35 Mitglieder. Frueher waren 3 Choere: 2 gemischte und ein Maennerchor. Diese loesten sich mit der Schliessung der Kirche auf. Versuche der Bolschewisten Gesangchoere ins Leben zu rufen, scheiterten an Interessenmangel der Bevoelkerung.

e)      Musikchoere: Ein Musikchor (Blasorchester) der groesstenteils aus Schueler besteht. In der Schule ist auch ein Seidenochester.

f)        Leibeserziehung und Geselligkeit: Ausserhalb der Schule ist keine Leibeserziehung. Die Geselligkeit ist durch die Bolschewistenzeit erloschen. Wenn damals jemand zusammenkam, so wurden sie politisch verdaechtigt. Auch traute einer dem andern  nicht mehr. Das gegenseitige Misttrauen schwindet langsam; aber das Kollektiv ist noch das groesste Hindernis der Geselligkeit.

g)      Sonstiges: Hochzeits- und Beerdigungsfeiern waren in der Bolschewistenzeit ganz abgekommen. Nach der Befreiung leben aber auch die allmaehlich auf. Viel hat zur Belebung der Geselligkeit auch das Schulungslager der Chortitzer Volkslehrer beigetragen. Die Abschlussfeier desselben war sehr interessant.

 

VIII.   Gesundheits-  und Wohlfahrtseinrichtungen: 

      Wieviel Aerzte, Krankenpfleger und Hebammen sind vorhanden?            

Ein Krankenhaus mit 35 Betten. Gegenwaertig 2 Ärzte: der leitende Arzt ist deutsch, kann aber kaum deutsch, und eine deutsche Ärztin. 4 Hebammen, davon 3 deutsche und eine ukrainesche; 3 Ärztegehilfen (sogenannte Feldscher); 10 Schwestern, darunter 3 deutsche und 7 ukrainische. Das Krankenhaus bedient aber nicht nur Chortiza, sondern auch die umliegenden Doerfer des ganzen Rayons, in dennen zum Teil kein Ärztepersonal ist. Das Krankenhaus hat auch eine Apotheke, nur mangelt es sehr an Arzeneimittel.

        Gesunheitszustand:

Ein parr Typhus- und Malariakranke. Frueher  erkrankten in den fabriken etwa 50% an Malaria. Augenkranke (Trachoma) sind schon sehr wenig. Bei manchen macht sich die mangelhafte Ernaehrung bemerkbar.

 

     IX. Kirchenmatrikeln (genaue Angaben ueber die vorhandenen und fehlenden Jahrgaenge von Geburts- und Taufregistern, Trauregistern, Totenregistern, Konfirmanden- und Kinderlehrlisten, Personalbuechern, Gemeinde- und Pfarrchroniken, Jahresberichten, verschiedenen Akten, Listen und dergl.) 

In Chortiza ist von Kirchenbuechr nichts mehr zu finden, denn sie sind alle nach Saporoshje gebracht worden, wo sie, wie man behauptet, von den Bolschewisten alle verbrannt sein sollten. Da fuhren am 2 May 2 Mann nach Saporoshje und suchten dort nach diesen Buechern. Kirchenbuecher selbst waren nicht zu finden, aber im Stadtsarchiv fand man noch das ganz alte Archiv des Chortizer Gebietsamtes, darunter auch standesamtliche Buecher aus den Jahren 1801-1806. Es muss und soll aber noch grundlicher und intensiver in Saporoshje gesucht werden und muss festgestellt,  was vorhanden ist. Auch musste das ganze Archiv sortiert und verarbeitet werden, was viel Zeit in Anspruch nehmen wird, sich aber geschichtlich lohnen wuerde, zumal Chortiza ja die Älteste deutsche Siedlung auf ukrainischem Boden ist. In sehr vielen Familien findet man ausgezeichnete Familienchroniken und auch manchmal wertvolle Material wie Tagebuecher, Ausschnitte aus alten Zeitungen, Familienkalender von vor dem Weltkrieg u s. w. Leider ist manches davon in den Letzten Jahren verbrannt worden aus Furcht vor der bolschewistischen Polizei; den das  ____ Stueck Papier in deutscher Sprache und wen es aus den vorigen Jahrhundert oder noch aelter war, genuegte den Besitzer ins Gefaengnis und Vernichtung als verdammter Faschist zu bringen. Dadurch ist natuerlich sehr viel ausserordentlich wertvolles Material verloren gegangen.

 

 

 

Die ersten deutschen Kolonien in Chortitza

 

1.Vorbereitung zur Amtsausuebung. Aufgefordert durch den Abgesandten der russischen Kaiserin Katharina II. Collegien-Assessor George v. Trappe, nach Russland zu ziehen und dort die Steppen der Ukraine zu besiedeln, entschlossen sich viele Deutschen aus der Danziger Gegend diesem Rufe Folge zu lassen. Es waren ausschliesslich Mennoniten. Auf den Rat Trappes schickten sie die zwei Deputierten Jakob Hoeppner und Johann Bartsch Ende September 1786 nach Russland, geeignetes Siedlungsland ausfindig zu machen und die ganze Übersiedlung mit der russischen Regierung zu regeln und vorzubereiten.
Die Deputierten fuhren zuerst per See nach Riga, von dort reisten sie mit dem Schlitten weiter nach Dubrowna in Weissrussland, wo sie dem Befehlshaber, dem General-Leutnant Baron von Stahl, General-Adjutanten von Taurien empfohlen wurden. Von hier ging es nach Krementschug und dann nach Cherson. Weit und breit fuhren sie in der umliegenden Gegend herum. Den Winter verbrachten sie groesstenteils in Cherson.
Im Fruehling wurden sie am 13. Mai in Krementschug der russischenKaiserin Katharina II. vorgestellt und von ihr erhielten sie die ihnen versprochenen Privilegien zugesichert. Sie mussten danach die Kaiserin nach der Krim begleiten. Als sie dem Reichsfuehrer Potjomkin mitteilten, sie moechten um die Ausstellung eines Privilegien einkommen, hatte dieser geantwortet, das sei doch unnoetig, da sie doch nach seiner Genehmigung in allem haben. Auf die Bemerkung der Deputierten, dass Sr. Durchlaucht sterblich sei, die Krone aber nicht aussterbe, hat er nicht nur eingewilligt, sondern geantwortet: "Es ist gut. Euren Einfall habe ich und ich will Euch ein Empfehlungsschreiben anfertigen lassen und ein Paar Dukaten als Spende geben. Die Reisekosten bekommt ihr ausserdem von der Zaren Krone erstattet!"
Von der Krim reisten sie ueber Krementschug nach Petersburg. (Auf dieser Reise brach sich Hoeppner beim Umsturz des Fuhrwerkes sein Bein, doch in Petersbrug geheilt wurde. Sieben Wochen waren sie hier und wurden einmal von dem Grossfuersten und Thronfolger Paul empfangen, der sie auf die Wange kuesste, nach dem sie ihm und dem Grossfuerst die Hand gekuesst hatten.)
Unterdes hatten sich in der Heimat schon die ersten 6 Familien: Hans Hamm, Kornelius Willms, Peter Regehr, Jakob Harder, Dietrich Isaak und dessen Schwager Abraham Krahn, der noch unverheiratet war, auf den Weg nach Riga gemacht. Sie konnten die Heimkehr der Deputierten nicht abwarten. In Riga trafen die Deputierten auf ihrer Heimreise diese sechs Familien, die vor wenigen Tagen angekommen waren. Das Geld war ihnen ausgegangen, sie hatten schon Kleidungstuecke verkaufen muessen um Nahrung zu kaufen. Nun wurden sie gleich an das Hauptbuero verwiesen, wo sie pro Person und pro Tag 25 Kopeken, fuer jeden unter 14 Jahren 12 Kopeken, monatlich ausbezahlt erhielten und ausserdem freies Quartier.
Von hier fuhren die Deputierten nach Warschau, um den Koenig von Polen, den Schutzherr ueber Danzig war, wissen zu lassen, was vorgegangen sei, und das viele Mennonitenfamilien jetzt nach Russland ziehen wollten. Dann kehrten sie endlich nach Danzig zurueck. Sie waren ein Jahr und 11 Tage fortgewesen. (Nun erschienen die Auswanderungslustige von weit und breit und erkundigten sich bei ihnen nach dem Ergebnis der Erkundigungsreise).
Am 19. Januar 1788 fand im oertlichen Gesandtschaftspalast von Danzig die erste grosse Versammlung der Auswanderungslustigen statt. Hier hielt ihnen der Herr General-Consul eine Rede.
Am 22. Maerz 1788 brachen nun 7 muntere Familien mit Jakob Hoeppner an der Spitze (50 Seelen) auf, nach dem sie von der Danziger Regierung und vom oertlichen General-Consul die Paesse erhalten hatten.

2. Die Auswanderung. Am Ostersonntag um 9. Uhr morgens brachen sie von dem Dorf Bohnsack der Danziger Naehrung auf. Viele hatten sich aufgemacht und begleiteten sie mit Glueckwuenschen unter Traenen bis zur Kirche. Abends kamen sie bis Sutthof am Frischen Haff, wo sie naechtigten. Hier nahmen sie Schlitten an, luden alle Wagen drauf und setzten ueber das schwache Eis, denn es war starkes Tauwetter. Die zweite Nacht mussten sie unter freiem Himmel verbringen, denn wegen des starken Regens konnten sie kein Dorf erreichen.
Nach fuenf Wochen kamen sie (am Ostermontag altes Stils) in Riga an. Hier waren sie beinahe vier Wochen, denn die Pferde waren sehr ausgefahren und mussten sich erholen. Am 24. Juni neuen Stils 1788 kamen sie in Dubrowna an, wo sie Quartier bekamen. Dieser Ort liegt 94 Werst noerdlich von Mohiljow am Dnjepr. Hier mussten sie bis zum naechsten Fruehling wohnen, denn Russland stand damals mit der Tuerkei im Krieg und fand es nicht fuer gut, sie an den Ort der Ansiedlung zu befoerdern.
Immer mehr Familien kamen nach, so dass es nach und nach 228 Familien wurden. Immer mehr Fahrwerke raeumten fuer sie ein. Hier waren alle ein Herz und eine Seele. Unter dieser Menge Menschen waren auch junge Leute, die bei diesen guten und muessigen Tagen heiratslustig wurden. Man schrieb daher nach Danzig und Preussen, ihnen doch Lehrer (Prediger) zu schicken. Unter sich waehlten sie Vorleser fuer den Sonntag: Jakob Wiens, Gerhard Neufeld, Jakob Schott und Bernhard Penner. Nun kam aus Preussen vom Kirchendienst ein Schreiben, dass sie die Anstellung von Predigern noch muessten anstehen lassen, bis sie an Ort und Stelle waeren. Die Gemeinde von Dubrowna war nicht damit einverstanden und schrieb noch einmal an die Heimatgemeinde, ihnen doch den Ältesten Peter Epp vom Danzig Stadtgebiet zu senden, der sich schon frueher dazu erboten habe, und zu dem die Gemeinde das Vertrauen habe, dass er dem Ruf folgen werde. Die Reisekosten (100 Dukaten) werden zusammengebracht. Auf dieses zweite Schreiben kamen dann die Ältesten der Gemeinden zusammen und schrieben durch den Ältesten Gerhard Wiebe, der Gemeinde zu Dubrowna.
Die Deputierten Hoeppner und Peter Albrecht wurden beauftragt, in den Gemeinden die Predigerwahl durchzufuehren. Nach Stimmenmehrheit waehlten sie 12 Kandidaten: Jakob Wiens, Gerhard Neufeld, Bernhard Penner, Jakob Schott, David Giesbrecht, Johann Wiebe und noch sechs andere. Von diesen 12 waehlte die Heimatgemeinde vier und bestaetigte sie als Prediger. Es waren dies die Maenner: Jakob Wiens, Gerhard Neufeld, Bernhard Penner und David Giesbrecht. Schon hier zeigten sich die Gegensaetze zwischen den Flamen und Friesen.
Drei Wochen vor Ostern machten sich 6 Familien mit Hoeppner auf den Weg vorauszureisen. (Sie sollten das von der Regierung versprochene Bauholz in Empfang nehmen. Die Wagen wurden auf Schlitten geladen. Die erste Station war Orscha. Zwei. Drei und vier Familien gehoerten zu einem Wagen, denn nur wenige hatten Mittel, sich Pferde und Wagen anzuschaffen. Ihr bischen Vermoegen hatten sie in Kisten verpackt und in Danzig unter den Schutz des General-Consuls gestellt, der es per Schiff nach Riga schickte. Von dort wurden die Kisten auf russische Wagen (Podwoda) nach Dubrowna gebracht und von da auf Barken (Kahne) nach Krementschug, und dann nach Jekaterinoslaw. Viele Familien, die kein eigenes Fuhrwerk hatten, fuhren auf Barken bis nach Jekaterinoslaw. Von Dubrowna bis Krementschug brauchte man 9 Wochen, Die, welche zur Reise Pferde und Wagen aufbringen konnten, nahmen 2,3 und 4 Familien fuer Frachtgeld in ihren Wagen.
Von den Gepaeckkisten kamen nur wenig unbeschaedigt an. Vieles war daraus gestohlen und dagegen anderes Zeug hineingelegt, manches war verfault. Als man endlich an den Bestimmungsort kam, wurden ihnen die Pferde gestohlen, andere liefen so davon.
Von Orscha reisten sie nach Mohiljow (76 Werst), wo sie sich wieder erholten und wo ein natuerlicher Bissen Brot zu bekommen war. Sie reisten wie zuvor, unter Regen und Tauwetter ab und kamen in solch eben Felder, dass es ihnen vorkam, als fuhren sie auf dem Acker. Eis und Wasser war so viel, dass sie kaum den Weg sehen konnten. Die Schlitten brachen manchmal durch, dass man sie herausheben musste. Es schien mehr wie ein See als Land zu sein. Mit grosser Muehe kamen sie nach Welikowers, eine Meile von Tschernigowo. Hier blieben sie drei Wochen und liessen Menschen und Pferde ausruhen.
Unterdes verschwanden Schnee und Eis, der Weg wurde trocken und bei schoenem Wetter fuhren sie im Mai wieder weiter. Bei Tschernigowo wurde gerade _____ ueber den Dnjepr gesetzt. Der Deputierter Hoeppner fand hier bekannte Offiziere, die er vor Jahren beim Fuersten hatte kennengelernt und die gut deutsch sprachen. Die befoerderten ihre Überfahrt. Es kostet ihnen nur wenige Schnaps (Branntwein) fuer die Arbeiter. Die Wasserstrasse war 9 Werst lang.
Nun hatten sie fortwaehrend schoenes Wetter, die Felder waren gruen, sie fanden ebenes Land, grosse Doerfer und Obstgaerten, die in voller Bluete standen. Hier gefiel es ihnen, den die Gegend bis Neschin war der bei ihnen im Werder sehr aehnlich. Die Strassen waren ueberall mit zwei Reihen Birken oder anderen Baeumen bepflanzt.
Endlich kamen sie in Krementschug an. Hier warteten sie vier Wochen, bis ihnen die anderen allen aus Dubrowna zu Wasser und zu Lande nachgekommen waren. Gleich bei ihrer Ankunft wurde der Deputierter Hoeppner zum Reichsfuersten Potjomkim beordert. Er teilte ihm eine wichtige, aber unangenehme Neuigkeit mit. Weil ihm der W__sche-___ Plan bei Berislaw des Tuerkenkrieges halber zur Ansiedlung nicht sicher schien, schlug er die Gegend an dem historisch bekannten Fluesschen Chortitza, 70 Werst von Jekaterinoslaw, zur Besiedlung vor. Ohne weiter auf die Moeglichkeit einer Gegewertstellung des Deputierten einzugehen, befahl er, ohne Verzug hinzureisen, die Gegend zu besehen und ihm dann muendlich Bericht zu erstatten.
Zugleich mit den Mennoniten waren 90 Familien lutherischer Konfession aus der Umgegend von Danzig in Russland eingewandert. Sie fanden sich derweilen auch in Krementschug ein und wurden im Kreise Nowomoskowsk angesiedelt. Ihre Hauptkolonie erhielt den Namen Josephsthal.

3. Ansiedlung. Nach der Rueckkehr Hoeppners machten sie sich auf den Weg und Anfangs Juli 1789 erreichte der erste Trupp Einwanderer seinen Bestimmungsort, das Tal, in welchem sich die bescheidene Chortitza ihr Bett gemacht hat und seit erdenklichen Zeiten den Fluten des im Osten kaum sichtbaren Dnjeprs zustrebt.
War der gute Eindruck, den die Gegend kurz vor Krementschug auf die Ankoemmlinge gemacht hatte, bereits durch die folgenden Landstreiche stark verwischt worden, so wollte Staunen und Verwunderung kein Ende nehmen, als sie die letzte bedeutende Anhoehe herunterfuhren. Ein langes breites Tal von hohen Bergen eingeschlossen(es sind nur kleine Anhoehen) gaehnt sie an. Und dann noch ein von seinen Bewohnern verlassenes und zerstoertes Dorf, von dem nur noch Ruinen, Schutthaufen und drei oder vier noch notduerftig bewohnbare Katen geblieben waren. Hierzu ringsum weit und breit kein lebendig Wesen, kein Baum, kein Strauch - wer haette sich da eines beaengstigenden Grauens erwehren koennen.
Anfangs gab es fast einen Aufruhr, man bestuermte und beschuldigte Hoeppner, dessen Vorstellungen, dass der Reichsfuerst ihnen den von ihnen ausgesuchten Siedlungsplan wegen des Androhens des Krieges nicht gegeben hat, vergeblich waren. Erst als einige Vernuenftige unter ihnen das Land umgehend besehen und die andern dann troesteten, dass es viel besseres Land sei, als in der Heimat und man hier sicher sein Brot finden werde, beruhigten sich die Gemueter etwas.
Die Deputierten Hoeppner und Bartsch und noch einige Familien zogen bald nach ihrer Ankunft auf die Insel Chortitza, wo sie zuerst ein von seinen Bewohnern verlassenes Wohnhaus bezogen. Die anderen machten sich Wohnungen in der Erde.
Chortitza wurde von den Flamen gegruendet, waehrend die Friesen das Dorf Kronsweide am Dnjepr gruendeten. Das waren die allerersten Anfaenge der ersten deutschen Kolonisten auf ukrainischem Boden.
Ihnen sind immer mehr Kolonisten aus dem Reich gefolgt, ein Siedlungsgebiet nach dem anderen entstand, und durch zaehen deutschen Fleiss, Arbeitsamkeit und Sparsamkeit verwandelten die deutschen Kolonisten die oeden ukrainischen Steppen in bluehende Kolonien mit gruenenden Feldern und prachtvollen Obstgaerten und machten die Ukraina zur ersten Brotkammer Europas. Der Landbesitz, den sie sich mit zaeher Ausdauer bis zum Weltkriege erworben hatten, war nicht kleiner als der Landbesitz von der Insel Gross-Britaniens.
Im Jahre 1889 stellten die Nachkommen der ersten Kolonisten ein Denkmal zum Andenken das hundertjaehrige Bestehen, welches von den Bolschewisten zerstoert wurde.

 

 

 

                            

Die Chortitzer Grundschule

 

Das Schulhaus der gegenwaertigen Grundschule wurde im Jahre 1912 von der Chortitzer Dorfgemeinde gebaut. Es war fuer die damaligen Verhaeltnissen ein praechtiges Schulhaus. Die Deutschen von Chortitza hatten wieder einmal bewiesen, dass – wen der Deutsche etwas macht – dann macht er`s tuechtig. Manches „Schultenbott) wurde abgehalten, viel heisses Blut gab`s,

bis das Haus fertig war; aber als es dann endlich fertig war, dann schaute wohl mancher Vater mit Stolz das neue Schulhaus an, in dessen geraeumigen hellen Klassen ihre Kinder zu deutschen Maennern oder Frauen erzogen wurden.

Bis 1917 war es eine zweiklassige Schule. Die Unterrichtssprache war damals die russische Sprache; deutsch wurde nur die deutsche Sprache und Religion geboten. Im Herbst 1917 wurde der dritte Lehrer angestellt. In der zweiten Haelfte der 20-ger Jahre wurde das Schulhaus der Dorfgemeinde abgenommen und eine sogenannte „Autoschule“ eingerichtet. Voller Entruestung

schaute jetzt manch ein Deutscher auf das Haus das solange sein Stolz gewesen war. Doch man schwieg – man musste schweigen. Aber sicher hat manch einer gedacht: haetten wir`s gewusst, wir haetten uns die Muehe erspart. Dass dieses noch einmal wieder eine deutsche Schule werden konnte, das hatte wohl niemand geahnt. Im Herbst 1941 nach der Befreiung von Bolschewismus wurde im Oktober eine Elternversammlung einberufen. Auf derselben wurde ueber die Anstellung, Loehnung und Verpflegung der Lehrer gesprochen. Als jemand die Frage stellte: „Wo wird unsere Schule sein?“ – antwortete man ganz dreist: „Na in unserer Schule“. Man fand es fuer selbstverstaendlich, dass man es nicht fuer noetig hielt, ueber diese Frage zu sprechen.

Es wurden damals vier Lehrkraefte angestellt:

1.    Peter Harder:

 

Bildung:

Lehrtaetigkeit

Dorfschule          von 1896 bis 1902

Steinfeld       von 1908 bis 1909

Zentralschule      von 1902 bis 1906

Chortitza      von 1908 bis 1909

Paedag. Klassen von 1906 bis 1908

Osterwick    von 1908 bis 1909

 

Schoenhorst von 1908 bis 1909

 

Von 1930 bis 1941 arbeitete ich im Kontor der Chortitzer M.F.St. Im Herbst wurde ich von der Chortitzer Gemeinde als Lehrer angestellt.

 

2.   Maria Froese:

 

Bildung:

Lehrtaetigkeit

Musterschule          von 1908 bis 1912

Adelsheimer Grundschule von 1925 bis 1928

Maedchenschule      von 1912 bis 1918

7-St. Schule in Nikolajewka von 1928 bis 1929

Saporoshjer Gymnasium von 1906 bis 1908

 

 

Spaeter im Kontor der Chortitzer Autoschule, Chortitzer M.F.St., Dneprostroj und Ehgelsfabrik gearbeitet

 

3.  Helena Winter:

 

Bildung:

Lehrtaetigkeit

Dorfschule         von 1911 bis 1917

Einlager Grundschule       von 1925 bis 1928

Maedchenschule  von 1917 bis 1921

Kindergarten Chortitza  von 1936 bis 1941

Paedtechnikum     von 1921 bis 1925

 

 

4. Helena Janzen:

 

Bildung:

Lehrtaetigkeit

Volksschule            von 1913 bis 1918

Vier Jahre in der Sonntagsschule

Altonau taetig gewesen

Fortbildungsschule   von 1918 bis 1922

 

Von 1937 bis 1941 in Kontor der Fabrik „Engels“ gearbeitet

 

Klasse

Knaben

Maedchen

1 Klasse

12

11

2 Klasse

13

9

3 Klasse

10

15

4 Klasse

3

12

Gesamt:    85

38

47

 

Dass die Arbeit in der Schule im verflossenen Winter ausserordentlich schwer gewesen ist, braucht eigentlich nicht erwaehnt zu werden. Lehr- und Lernmittel waren keine aufzutreiben. Hauptmann Messner*, der die erste Lehrerkonferenz einberuf, war sehr bescheiden in seinen Forderung. „Ich verlange von euch weiter nichts, als nimmt die Kinder von der Strasse, beschaeftigt sie 3-4 Stunden in der Schule und versucht sie „deutsch“ zu machen.“

___________________

*) Direktor des Gymnasium in Essen, Deutschland.

 

Leiter der Schule: P. Harder

 

 

 

 

 

 

X. Wirtschaft:

 

1.  Landmenge (in ha):  a) im Jahre 1918:                         5212 ha (Chortitza und Rosental)

                                         b) heute im Kollektivverband:  3150 ha

                                         c) Hofland:                                     200 ha

2.  Zahl der Wirtschaftshofe im Jahre 1918: 74 Vollwirtschaften mit je 65 Desjatinen.

     Auserdem waren etwa 200 Landlose, sogenannte Anwohner, die teils Land pachteten, fuhrwerkten

     oder in der Fabrik Arbeiteten

3.  Wieviel Hofland hat jetzt ein Bauer (durchschnittlich):  0,30 ha

4.  Versorgungsanlage von Menschen und Vieh: Die Bevoelkerung reicht nicht aus mit Brot bis zu neuen Ernte.           Gegenwartig erhalten 150 Familien Mithilfe: monatlich pro Person 8 Kg Mehl, oder 300 Gr Brot taeglich. Fett wird      nicht verteilt. Der Arbeiter erhaelt taeglich 300 Gr. Brot und monatlich 2 Kg Mehl und 400 Gr Öl und auch die Familie pro Person dasselbe Quantum Brot. monatlich 1350 Gr Mehl und 100 Gr Fett. Das Vieh ist sehr schwach durch den Winter gekommen. Die Pferde sind ganz gut gefaettert. Gegenwartig geht das Vieh auf die Weide. Gewohnlich reicht diese nicht aus, in diesem Jahr ist weniger Vieh, so das sie vielleicht ausreicht.

5.  Wasserversorgung: Eine Wasserleitung fuer die Betriebe, die Bevoelkerung aus Brunnen. Fast auf jedem Hof ist ein Brunnen. Im Tal ist meist schlechtes Wasser, auf den Bergen dagegen gutes.

6.  Vorhandener Viehbestand:

                          im Kollektiv         Privat          Im Kriege vertrieben

a) Pferde                             217                  -                          30

b) Kuehe                                58                127                      150

c) Schafe                            642                 20                       115

d) Schweine                         21                115                      350

e) Ziegen                               -                  110                        -

f) Bienenstoecke                   16                  40                        -

 

7.  Gefluegelbestand (ungefaehre Zahl von Huehnern, Gaensen, Enten):  1200

 

8. Obstanlagen, Gemuesegarten, Weinberge und sonstige Kulturen (Flaecheninhalt in Ha):

a) Obstanlagen              111,5 Ha

b) Gemuesegarten                48 Ha

c) Weinberge                     8,2 Ha

d) Himmberren                   3,5 Ha

e) Stachelberren                   3 Ha

 

9.  Zustand der Haeuser und Hofe mit Schilderung der Wohnverhaeltnisse: Es gibt in Chortitza noch etliche typische Bauernhaeuser aus der aelteren Zeit, teil aus Ziegelsteinen, teils mit Holz bekleidet sie befinden sich hauptsaechlich an der Hauptstrasse. Dann gibt es auch aber auch sehr viel Neubauten, die groesstenteils

aus Lehm geklebt sind. Die Hoefe sind mit und ohne Zaeune; viele von ihnen haben ihren fruheren Bauschmuck

eingebuesst. Die neuentstandene Strassen haben zum Teil nette junge Obstgaerten. Haeuser und Hoefe sind sehr vernachlaessigt; jetzt jedoch wird mit neuem Mut alles so gut wie moeglich wieder instand gesetzt.

10.   Öffentliche Gebaeude und Einrichtungen (auch deren gegenwaertiger Zustand):

5 Schulgebaeude, die sehr gut gebaut sind, aber schon reparieren fehlen.Besonders fehlt es an Glas. Das ehemalige Lehrerseminar und die Maedchenschule sind gegenwaertig mit Militaer belegt.

1 Kirche die zu Bolschewistenzeit Kino war, jetzt aber wieder als Kirche eingerichtet ist.

1 Rayonsverwaltungsdebaeude, das alte Chortizer Wolostgebaeude, von aussen noch ganz schoen, muss aber von ihnen renoviert werden. 1Buergemeisteramt gegenueber der Rayonsverwaltung; 1 Kooperationsgebaeude; 1Krankenhaus mit Apotheke; 1 Kino in der Fabrik.

 11.   Industrie- und Gewerbeanlagen: Zwei Fabriken 1) Die ehemaliege Landwirtschaftsmaschienen Koop Fabrik mit 270 Arbeiter, die heute Traktorenteile herstellt;  2) Eisengiesserei mit 250 Arbeiter (ehemalige Lepp & Wallmann Fabrik)

3) Maschinen - Traktoren Station - 50 Arbeiter; 4 Schmieden und 3 Stellmachereien - 52 Arbeiter; Baeckerei -15 Arbeiter; 1 Walzmuehle - 11 Arbeiter; eine Genossenschaftsmuehle; 2 Ziegeleien, die gegenwaertig stillliegen; ein Getreidefuellpunkt von den umliegenden Doerfern; 1 Bahnhof.

 

 

Die Chortizer Zentralschule

in Zeitraum von 1842 - 1942

 

Die Chortizer Deutsche Schule, fruher Zentralschule genannt, beendigt in diesem Jahr ihr 100-stes Schuljahr. Die Zentralschule wurde im Jahre 1842 eroeffnet und hatte die Aufgabe Lehrer fuer die Dorfschulen des Chortizer Schulbezirks heranzubilden.

Im Auftrage des Ministeriums des Innern schlud das Fuersorgskomitee 1840 dem Gebitsamt in Chortiza vor, die Eroeffnung einer Schule zu ermitteln, in der die russische Sprache in den Unterrichtsplan aufgenommen werden sollte.

Das Gebitsamt, der landwirtschaftliche Verein und der Kirchenkonvent arbeiteten gemeinsam einen Plan zur Gruendung dieser Schule aus und stellten gleichzeitig einen Kostenvorschlag und Bauplan vor. Die Gemeinde hat sich bereit erklaert, die Mittel zur Unterhaltung eines Lehrers und zum Bau des Schulgebaeudes zu liefern.

Am 3. Juni 1842 genehmigte das Komitee die Eroeffnung der Schule und verfuegte gleichzeitig, das 6 arme Knaben als Gemeindezoeglinge in die schule aufzunehmen seien.

Heinrich Heese war der erste Lehrer der Chortizer Zentralschule (1842-1846). Ein Mann von Überzeugung und eiserner Willenslraft, der allein berufen war, trotz Parteiwesen, Zwistigkeiten und Eigennutz der Gemeindebehoerden, die Sache der Schule durchzusetzen. Er war es auch der Statuten, Plan und Kostenueberschlag ausarbeitete und den Bauplatz fuer die Schule waehlte. Heese hat ein grosses Verstaendniss  fuer die Aufgabe der Schule und bezeichnete sie als "einzige Pflanzstaette zur Entwicklung der gemeingschaftlichen Gewinnung der Jugend". Auch verlangte er, dass das Schulgebaeude Proportion, Symetrie und Geschmack erkennen lassen solle. Fuer diese Art der Gewinnung hatte das Gebitsamt und die Gemeinde wenig Verstaendniss. Beim durchfuehren seiner Plaene stoss Heese auf unendlich viel Hindernisse und musste nach kurzer Arbeitszeit die Schule verlassen.

            In die Zentralschule wurden Knaben und Maedchen mit 10 Jahren aufgenommen, die etwas lesen, schreiben und rechnen konnten. Der ganze Buecherschatzeines Schuellers bestand aus der Biebel und einer russischen Grammatik. Einen festgelegten Lehrplan gab es anfaenglich nicht, da die Schueller fast ohne jede Vorbereitung aufgenomen wurden.

Heinrich Heeses Nachfolger war Heinrich Franz (1846-1858). Ebenfalls ein tuechtiger Lehrer, dessen Leistungen vom Domaenenministerium  anerkannt und durch einen Belobigungsschein ausgezeichnet wurden. Er hatte viel Freunde, aber auch an Feinden fehlt es nicht. Es war wohl seine "drakonische" Strenge in Bezug auf die Zoeglinge, die gegen ihn Stimmung machten.

Missverstaendnisse, Streitigkeiten mit dem Gebietsamt und Schulvorstand, endlich Verleumdungen zwangen in nach 12-jaehriger Taetigkeit die Schule zu verlassen.

Seit 1855 war die Zahl der Gemeindezoeglinge auf 8 erhoeht worden. Auch ein Stipendium zwecks Ausbildung von Lehrern fuer die Zentralschule wurde am Gymnasium in Jekaterinoslaw begruendet.

Es beginnt nun ein lichtvollerer Zeitabschnitt in der Geschichte der Schule. Seit 1858 bis 1877 war Heinrich Epp (ein Stipendiat) an der Zentralschule taetig. Waehrend Heinrich Heese  besonderes Gewicht auf die Erlernung der russischer Sprache legte, H. Franz das rechnen und die  Stilarbeit mehr betonte, kommt es H. Epp mehr auf den erzieherichen Gesamtunterricht an. Er entwickelt in seinen 19 Dienstjahren eine ruhige und segenreiche Arbeit, die eine erfreuliche Entwicklung des Schulwesens zufuegte.

Gleichzeitig macht sich ein wirtschaftlicher Aufschwung der Schule bemerkbar: ihr wurde ein Schulkapital von rund 34000 Rubel zugewiesen und im Jahre 1870 ein zweites Schulgebaeude fertiggestellt. Auch in Fragen des Unterrichts ein Forschritt zu verzeichnen; vom Komitee wurde ein Lehrplan eingesandt und ein zweiter Lehrer eingesetzt. Die Klassenteilung konnte nun durchgefuehrt werden und allmaehlich stiegen die Forderungen bei den Eintrittspruefungen, die man an die Schueller stellte.

Der Lehrplan wurde erweitert, es wurde z.B. der ganze Kursus der Algebra durchgearbeitet. Waehrend nun einerseits sich die Leistungsfaehigkeit der Schule immer mehr steigerte, wurde anderseits ihre Taetigkeit eingeengt.

Die Aufnahme von Maedchen wurde verboten. Das Komitee verlangte zwar, es sollte eine besondere Maedchenschule gegruendet werden, doch dieser Gedanke drang nicht durch, und es vergingen 20 Jahre bis endlich 1895 dieser Gedanke verwirklicht wurde, und man die Chortizer Maedchenschule eroeffnete.

Seit 1877 folgen als Leiter der Schule Lehrer Johann Epp (1877-78), Jakob Braeul (1878-79) und Peter Riediger (1879-92) der seine Ausbildung im Gymnasium Jekaterinoslaw und im Seminar zu Halbstadt (Deutschland) erhalten hatte.

Als Lehrer fuer den russischen Sprachunterricht sind zu nennen: zuerst Wilhelm Penner (1874-81) mit Gymnasiumsbildung, ausserordentlich gewissenhaft und puenktlich in seiner Arbeit, und Jakob Klassen (1881-90) und (1893-95), der ein Vorbild an liebevoller Hingabe an seinem Beruf war und sich durch ungewoehnliche Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit in kleinen und in grossen Dingen auszeichnete.

Bis 1890 war die Zentralschule zweiklassig mit je einem 2-jahrigen Kursus, und es fand nur jede 2 Jahre Aufnahme und Austritt der Schueller.

Nach und nach hatte die Zentralschule aufgehoert eine Lehrerbildungsanstalt zu sein und war nur noch eine Fortbildungsschule. Der russische Sprachunterricht wurde immer mehr betont und allmaehlich hatte man angefangen alle Faecher – ausser deutsche Sprache und Religion – russisch zu unterrichten.

Von Jahr zu Jahr stiegen auch die Ansprueche an die Leistungen der Dorfschulen und eine Lehrerbildungsanstalt wurde zur dringenden Notwendigkeit. 1889 schrieb der Direktor der Volksschulen vor, die Gemeindezoeglinge des Austrittskursus in den Nachmittagsstunden in Paedagogik zu unterrichten und  genehmigte zu diesen Zweck die Einstellung eines dritten Lehrers. Solche Einrichtung hatte aber eine Überbuergung der Schueller zur Folge, und so wurde im Jahre 1890 an der Zentralschule ein zweijaehriger paedagogischer Kursus und eine Musterschule eroeffnet und ein drittes Schulgebaeude aufgefuehrt, das der Gemeinde 9-10000 Rubel zu stehen kam.

In der paedagogischen Klasse wurden die Unterrichtsfaecher der Zentralschule fortgesetzt und gleichzeitig eine bedeutende Stundenzahl fuer Paedagogik und paedagogische Praktik festgestellt. Die schule hatte aber noch nicht das Recht Lehrerzeugnisse auszustellen. Die ersten Lehrer der Musterschule waren Peter Penner und Johann Froese. Die Anzahl der Schueller schwankte im Zeitraum von 1873 bis 1893 zwischen 40- 53. Die Gemeindezoeglinge steigerte sich folgendermassen:

1842 – 6; 1855 – 8; ? – 10; 1892 – 15.

Einen bedeutenden Aufschwung hat die Schule Lehrer Abram Neufeld (1892-1905) zu verdanken. Ein ueberaus gebildeter und begabter Mann von grosser Einsicht und grossem Verstaendniss fuer Erziehungsfragen. Ihm hat auch die Chortizer Gemeinde einen bedeutenden kulturellen Aufschwung zu verdanken.

Seit 1890 bestanden an der Zentralschule 3 Klassenmit je 2-jahrigem Kursus: eine Unterklasse, eine Oberklasse und eine paedagogiesche Klasse. In die Unterklasse wurden Knaben mit dem 13. Lebensjahr nach bestandener Pruefung aufgenommen. Jedes Jahr fand bereits eine Aufname der Schueller statt. Man unterrichtete deutsche Sprache, russische Sprache, Religion, Paedagogik, Mathematik, Naturgeschichte, Geographie, Geschichte, Methodik des Sprachunterrichts, Zeichnen.

In den folgenden Jahren fand eine Teilung der Klassen statt, und man hatte nun statt 3 - 6 Klassen, was eine Erweiterung der Schulraeume zur Folge hatte. Es ist dann im Jahre 1899 das Schulhaus der Zentralschule in seinem heutigen aeusseren Aussehen entstanden. Auser dem Schulleiter waren noch 4 Lehrer an der Schule taetig.

Nur noch 10 Jahre war der Zentralschule zu bluehen und zu gedeihen vergoennt. Dank den Bemuehungen des seit 1905 taetigen Schulleiters Heinrich Epp (verbannt im Jahre 1937), wurde ein Stipendium begruendet, das die Ausbildung der  Lehrer in Deutschlandfuer die Zentralschule foerdern sollte. In diesen Jahren fand auch die weitere Ausbauung der paedagogischen abteilung statt. Der Kursus wurde um ein Jahr verlaengert und die urspruenliche paedagogische Klasse war somit zu einer zu einer selbststaenigen Lehrerbildungsanstalt herangewachsen, zu einem Lehrerseminar. Im Jahre 1913 wurde auch ein grosser Neubau mit 4 Klassenzimmern, einem Saal, Lehrerzimmer Bibliothek, Lehrer- und Schuldienerwohnung und andere Raeumlichkeiten fertiggestellt. 

Der Krieg von 1914 und die ersten Jahren der Bolschwistenwirtschaft hatten ein starkes Absinken der Leistungsfaehigkeit der Schulen bewirkt. Auch in anderen Beziehungen war das Jahr 1914 der Hoehepunkt der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der deutschen Gemeinden. Eine Entartung und Zersetzung deutschen Lebens setzt ein und erreichte 1941 ihren Hoehepunkt.

Waehren anfaenglich die Zentralschule und das Lehrerseminar einen Schulleiter hatten, wurden diese Schulen 1920 getrennt. H. Epp uebergab die Leitung des Seminars seinem Bruder Dietrich Epp (Institutsbildung in Petersburg), um nur als Lektor in der Schule weiter zu arbeiten. Die Leitung der Zentralschule uebernam Abram Wiebe (ebenfalls das Institut in Petersburg absolviert).

Seit 1920 wurde wieder die deutsche Sprache zur Unterrichtssprache. Diese Tatsache war fuer das Erhalten des Deutschtums von grosser Bedeutung.

Das Lehrerseminar erlitt nun in den naechsten Jahren eine merfache Umgesteltung.Zuerst war es eine paedagogische Schule mit einem 3-jahrigen Kursus, dann kam eine Vorbereitungsklasse dazu, und die Schule wurde als paedagogische Kurse bezeichnet. Weiterhin erhob man die Vorbereitungsklasse zu einer Grundklasse und es war nun ein paedagogisches Technikum, das aber im Verlauf der naechsten Jahre wieder zu einer paedagogischen Schule herabgesetz wurde.

Die Zentralschule (4 Klassen) baute sich nach wie vor auf der 6-jahrigen Dorfschule auf. Die Dorfschule und die Zentralschule bildeten nun die sogenannte Arbeitsschule. Seit 1928 wurde jedoch der Schulbesuch auf  7 beschraenkt – die 7- jahrige Arbeitsschule eingefuehrt. Im Jahre 1938 verbot man die deutsche Sprache an den deutschen Schulen, und die ehemalige Zentralschule wurde in eine 10-klassige russische Mittelschule umgestaltet.

Der Archiv der Zentralschule ist gaenzlich vernichtet worden, so liegen en auch keine genaue Angaben ueber die Anzahl der Schueller seit 1892-1938 vor. Es durfte aber der Wirkliegkeit nahe liegen wen wir eine Zahl von 100-200 nennen.

Seit 1938 hatte nun die ehemalige Zentralschule voellig den Charakter einer deutschen Schule verloren. Seit 1941 darf sie aber wieder deutsch sein. Im November wurde die deutsche Mittelschule mit 4 Oberklassen und zwar 5-te, 6-te, 7-te und 8-te. In diesen Klassen nahm man 169 Schueller auf, davon 86 Jungen und 83 Maedchen, und 9 Lehrer wurden angestellt. Mit grossen Unterbrechungen (Fronferien, Einquartirung, Lehrerschulung) hat die Schule in diesem Jahr ohne Buecher und fast ohne Schreibpapier arbeiten muessen. Es war so mir unmoeglich, den Schuellern ein grosses, systematisches Wissen bei ungenuegender Verpflegung und duerftiger Bekleidung zu uebermitteln. Das Hauptgewicht wurde an den Deutschunterricht gelegt, in dem man bestrebt war, in den Kindern deutsches Fuehlen und Denken zu wecken.

Viele Kinder hatten bereits ihre Muttersprache vergessen, und der 18.8.1941 war fuer uns  eine Rettung in der letzter Stunde, ein Tag, fuer den wir Gott, dem Fuehrer und dem treuen deutschen Soldaten zeitlebens danken werden.

 

Chortiza 30.05.1942

Schulleiterin Anna Sudermann

 

 

 

Die Chortizer Maedchenschule

 

 

Die Chortizer Maedchenschule wurde im Jahre 1895 eroeffnet. Sie verdankt ihre Entstehung der Privatinitiative.

Schon in der zweiten Haelfte des vorigen Jahrhunderts gab es hier einsichtsvolle Leute, die den Nutzen einer weiterer Ausbildung fuer heranwachsende Maedchen einsahen. Dieses bereitet die Tatsache dass laengere Zeit den Maedchen der Eintritt in die Chortizer Zentralschule gestattet war. Als die Aufnahme der Maedchen von der Koloniaverwaltung verboten wurde, machte das Fuersorgekomitee im Jahre 1870 dem Chortizer Gebietsamt den Vorschlag eine besondere Maedchenschule einzurichten. Es sollte dieses eine Gemeindeschule werden; doch waren unsere Gemeinden damals noch nicht fuer diese Sache zu haben und die heranwachsende Maedchen verloren fuer laengere Zeit die Moegliechkeit der Fortbildung in geeigneten Schulen.

An die Gruendung einer Gemeindeschule fuer Maedchen sonst nicht zu denken; es konnte nur durch Privatinitiative und aus Privatmitteln geschehen. Dieser Gedanke wurde Ende der achtziger Jahre besonders von dem Lehrer und Prediger D. Epp und den Nachmaligen Lehrer der Chortizer Maedchenschule Jakob Klassen angeregt und verbreitet und fand immer mehr guenstigen Boden. Als Lehrer A. Neufeld ein wenig spaeter die Leitung  der Chortizer Zentralschule uebernahm wurde er zugleich auch ein eifriger Vertreter der Maedchenschule fuer den Chortizer Bezirk. Die Samen,  die von diesen Maennern ausgestreut wurde, fiel auf guten Boden, sie fing an zu keimen und zu sprossen. Die Sympathie fuer die Sache wuchs. Es fand auch eine ganze Reihe von Maennern die nachher das feste Rueckgrat der Schule bildeten. Im Februar des Jahres 1895 war die Sache soweit  gediehen, dass die erste Sitzung anberaumt (? W.V.) werden konnte, und das Resultat war was die Maedchenschule solle moeglichst  rasch eroeffnet werden. Zur Ausfuehrung der Arbeiten wurde ein Leitungskomitee gewaehlt. Die Frauen wurden nicht muede, ihre Maenner zu immer neuen Taetigkeit anzuspornen (? W.V.). Noch im Februar desselben Jahres wurde die ausgearbeiteten Statiken zur Bestaetigung vorgestellt, und am 28 August 1895 erfolgt die obrigkeitliche Genehmigung zur Eroeffnung der Schule. Zuerst hatte die Schule 3 Klassen, spaeter 4. Das Programm war das der Zentralschule. In die erste Klasse wurden Maedchen im Alter von 11-12 Jahren aufgenommen, die den Kursus der Volksschule beendet hatten. Obligatorische Lehrgegenstaende waren Religion, russische Sprache, deutsche Sprache, Arithmetik, Geometrie, Algebra, Geschichte, Geographie, Naturkunde, Physik, Zeichnen, Schoenschreiben, Gesang, Handarbeit. Nicht obligatorisch war Musikunterricht.

Unterhalten wurde die Schule aus folgenden Mitteln:                                                                                                     

1)      Mitgliedbeitragen und Spenden

2)      Von Lottereien

3)      Subsidien von der Jekaterinslawischem Semstwo

4)      Schulgeld

5)      Verschiedene andere  

Da die Mittel des Vereins anfaenglich gering waren, um sofort mit einem Neubau zu beginnen, so kaufte man einen Hof mit einigen Raeumlichkeiten darauf, wo den die Schule fuer einige Jahren untergebracht wurde. Erst im Jahre 1904 begann man den Neubau. Es war ein stattliches Gebaeude aufgefuehrt mit versgroessten, hellen Klassenraeumen, einem grossen hohen Saal, mit breiten Korridoren, einem Vestibuel, einem Lehrerzimmer, einem physikalischen Kabinett und einer Lehrerwohnung, ein Gelaende, das allen Anforderungen der Schulhygiene genuege leistete.

Von Jahr zu Jahr wuchs die Zahl der Schulerinen. In der erste Zeit ihres Bestehens hat die Schule manche Anfeindungen erduldet, aber immer mehr hat sie sich Sympathie groesserer Kreise erworben koennen und ist zu einem allgemein anerkannten Kulturfaktor unserer Gemeinde geworden.

Von 1895 bis im Jahre 1919 hat die Schule ununterbrochen arbeiten koennen. Im Oktober des Jahres 1919 wurde das Dorf Chortiza schwer von Banditen Heimgesucht; die Schule wurde, wie auch die andere Lehrantallten geschlossen. Fuer kurze Zeit nahm im Fruehling 1920, nach dem die Banditen abgezogen waren, die Arbeit in der Schule wieder auf. Im Herbst desselben Jahres, dem Jubilaeumsjahr der Schule, die in 25 Jahren bestanden, wurde die Maedchenschule als solche geschlossen. Knaben und Maedchen wurden seitdem in den La____schulen (W.V.)  zusammen unterrichtet. So hat dann die Maedchenschule als selbstaendige Schule aufgehoert zu existieren.

 

Ehemalige Schulleiterin: A. Epp 

30.05.1942

 

 

 

12. Wege bezw. Strassenverhaeltnisse: Das Alte Chortiza hatte nur zwei Strassen: die alte und die neue. Heute fuehrt die Hauptstrasse Dnepropetrows - Saporoshje durch den Ort, die hier Koprpflaster hat. Alle andere Strassen sind ungepflastert, bei Regenzeiten und Schneeschmelzen kaum pasierbar. Mehrere Strassen haben aufgeschaufelte Buergerstege, die auch zu pflastern fehlen. Dann hat Chortiza Bahn verbindung mit Nikopol und Saporoshje, letztere gegenwaertig durch Sprengung Dneprbruecke unterbrochen. Der Bahnhof liegt direkt bei Chortiza.
13. Bestand an landwirtschaftlichen Maschinen: in beiden deutschen Kollektiven: 17 Maehmaschinen, 19 Drillen, 70 Wagen, 6 Pferdedrescher, 33 einschar. Pfluege, 5 Grasmaeher, 52 mehrschar. Pfluege, 29 eiserne Eggen, 33 hoelzerne Eggen. Alle landwirtschaftlichen Maschinen sind alt und abgenutzt.
Ausserdem ist in Chortiza die Maschinen - Traktoren - Station (MTS)

14. Durchschnittlicher Ernteertrag vom ha in Doppelzentnern:

 
1918
1931
1932
1933
1934
1935
1936
1937
1938
1939
1940
1941
Weizen
15
12
3
12
2,6
6
10,7
9,5
12,9
15
7
8,8
Gerste
16
8
2,8
10,5
2,5
4
5,2
9,5
3,9
13
13,5
7,1
Hafer
16
9
2,1
10
3
4
7
9,5
12,2
12,5
10,5
10,6
Roggen
12
8
4
8
2,5
3
6,2
5,6
13,5
15,9
10,5
9,4
Mais
14
13
11,3
13
7
4,3
8,5
10,5
12,5
9
13
15

15. Wie war die Entlohnung auf den Arbeitstag: in den Jahren

 
1931
1932
1933
1934
1935
1936
1937
1938
1939
1940
1941
Getreide
3,5
0,85
3
0,4
1,124
2,3
1,8
2,32
3
1,4
1,5
Kartoffeln
-
0,30
-
-
0,6
0,215
0,3
0,25
0,15
0,1
0,4
Bargeld
-
0,35
1
0,65
0,61
1,05
1,35
2,25
3,30
1,90
1,50

16. Schilderung der Arbeits- und Verdienstmoegliegkelten in der Bolschewistenzeit und des Verhaeltnisses zwischen Lohn und Verbrauch.
Die Kollektivbauern reichten mit ihrem Verdienst sowieso lange nicht ihren Verbrauch auch nur notwendig zu decken, dann mussten sie davon noch Bestimmtes freiwillig dem Staat verkaufen, so das man hoechstens 50% des Bedarfs decken konnte. Wenn die Arbeiter vielleicht etwas besser dran waren, so hatten auch sie nur armes Leben bei den Sowjets, da die Preise so schrecklich hoch waren.
 

 

 

Bericht ueber Verhaftungen, Einkerkerung, Verfolgungen der Deutschen

von Hans Epp, Chortitza.
Durch zaehen Fleiss hatten sich die Volksdeutschen Russlands unter der Leitung hervorragender eigener Kraefte eine glaenzende wirtschaftliche und kulturelle Lage geschaffen, die den groessten Neid ihrer Umgebung erregte. Diese konnte sich die Errungenschaft der Deutschen nicht anders erklaeren, als das sie nur mit Hilfe ungeheurer Geldsumme aus Deutschland zustande gebracht sei. Dieser Neid und die vermeintlichen Beziehungen zu Deutschland wurde waehrend des Weltkrieges von 1941 unter endloser Propoganda, die deutschfeindliche Elemente zu wahnsinnigem Deutschenhass angefacht hatte, die sich nach Sturz der Zarenregierung durch Pluendern, Morden und Brennen in den deutschen Siedlungen ganz besonders Luft machte.
Nach Aufkommen der Raeteregierung, die internationale und soziale Zwecke als Endziel ihrer Arbeit proklamierte, wurde die Lage der meisten Deutschen nicht gebessert, da dieselben nach sozialer Herkunft ein unzuverlaessiges Element waren, die nicht die geschmeidige Anpassungsfaehigkeit besassen, um aus der Situation moeglichst grossen Nutzen zu ziehen. Um sich wirtschaftlicher und politischer Hinsicht zu sichern, begann die Entkulakisierung, die sich anfaenglich auf die fruehere besitzende Klasse erstreckte, dann spaeter auf deren besitzlose Nachkommenschaft verbreitete, da deren Ideologie staatsfeindlich sein schien. Auf solche Weise wurde durch Übersiedlung und Verbannung in die entlegenste Gebiete Russlands der Kern des deutschen Wirtschaftslebens aus unserer Mitte beseitigt und absichtlich nach und nach vernichtet. Spaeter kam unsere Intelligenz, die geistlichen Fuehrer und die Arbeitermasse an die Reihe.
_____ bestehenden Regierung, Losloesung der Ukraine von Grossrussland, Schaedlingsarbeit in Betrieben und Regierungsinstitutionen.
Welche Mittel wandte man nun an, um Papiere anzufertigen, die die G.P.U. oder N.K.W.D. berechtigten, die Eingefangenen laut Gesetz zu bestrafen?
Durch andauernde Stoerung der Nachtruhe im Untersuchungsraum, durch strammes Stehen in einer Zimmerecke auf schwankenden Gegenstaenden, vor Anschlaegen an der Wand mit fuerchterlichen Drohungen, durch Faustschlaege, Fusstritte, Einklemmen der Fingerspitzen, abwechselndes Einsperren in Einzelzellen mit ueberaus hoher oder niedriger Temperatur usw. Durch diese Repressalien versuchte man die koerperlichen und geistige Kraefte der Menschen endgueltig zu brechen und sie zu allem gefuegig zu machen. Nach Erreichung dieses Zustandes fertigte man dann das gewuenschte Beweismaterial an und wurden die noetigen Agenten und Mitarbeiter gewonnen.
Aufgrund dieses Beweismaterials wird dann das Urteil der Verhafteten gefaellt, anfaenglich ohne Gericht auf einer Sitzung der GPU, spaeter auf einer eigenartiger Gerichtsversammlung, wo meistens nur Mitarbeiter der GPU als ausschlaggebende Zeugen fingierten.
Der Weg nach dem Verbannungsort war aussergewoehnlich lang, denn man wurde nur gelegentlich befoerdert. Er faehrt in die sogenannte "freie Verbannung", wo man sich in Grenzen des angewiesenen Rayons frei bewegen konnte; ins Konzentrationslager, wo man von aller Welt isoliert war; an einen Aussiedlungsort, wo man sich ansaessig machen musste. Der in die freie Verbannung Verschickte lebt unter gleichen Verhaeltnissen mit den Ortsbewohnern, d. h. von seiner Haende Arbeit. Ist man arbeitsunfaehig oder unterstuetzungslos, so geht man sicher zu Grunde.
Der ganze Bestand deutscher technischer Kraefte, die meistens in Deutschland ihre Fachausbildung erhalten hatten, viele mit hoechsten Orden der Raeteregierung ausgezeichnet, wurden als Schaedlinge mit ihrer Arbeit oder als gemeine Spione auf viele Jahre verbannt, ihre minderjaehrige Kinder ins Kinderheim untergebracht und ihre Frauen in Konzentrationslager der entlegensten Gegenden des weiten Reiches verschickt. Ebenso erging es den Predigern, Lehrern und Juristen, auch die Angestellte und Arbeiter von den Deutschen entgingen diesen grausamen Schicksal nicht. Sie wurden auch als Schaedlinge, Spione und landesgefaehrliche Elemente erklaert und fuer lange Zeit, wenn nicht fuer immer, verbannt. Spaeter wurden alle Deutsche unter 60 Jahren, die aus der Verbannung zurueckgekehrt waren, von neuem verhaftet und auf weitere 10 Jahre verschickt.
Wie machte man die Deutschen zu angeblichen Verbrechern? Unter dem Schutze naechtlicher Dunkelheit vollfuehrten die entmenschten Agenten der allmaechtigen GPU oder NKWD ihre lichtscheue Arbeit. In Begleitung oertlicher Parteimitglieder und eines bekannten Nachbarn dran Dieses war meistens bis zur Unglaublichkeit ueberfuellt. gen sie in die Wohnungen ihrer Opfer ein, verhafteten dieselben laut Befehl und transportierten diese unter starker Milizbegleitung meistens nicht vor Tagesanbruch ins naechste Gefaengnis. Eine Zelle von etwa 10 m x 7 m musste 102 Mann aufnehmen.
Nach Bestimmung der sozialen Lage des Eingefangenen begann die Bearbeitung des bolschewistischen Verbrechers. Die gegen die Opfer der neuen Art von Inquisition erhobenen Beschuldigungen bestanden meistens in einer angeblichen Gruendung einer staatsgefaehrlichen Organisation, wie Umsturz der Regierung ... (kein Ende - wahrscheinlich fehlt eine Seite. W. Vogt)
... ins Konzentrationslager schickt man meist nur arbeitsfaehige Menschen, die dort verschiedene Pionierarbeit zu verrichten haben, oft unter gesundheitswidrigen Verhaeltnissen bei unerfuellbaren Arbeitsnormen und mangelhafter Verpflegung, wobei Millionen Menschen ums Leben gekommen sind.
An neuen Siedlungsorten ist der mit seiner Familie Verbannte gezwungen, eine Waldflaeche fuer seine Baustelle zu roden, Baumaterial fuer seine Wohnung zu beschaffen, sie zu bauen und das notwendige fuer seine Familie zu verdienen. Wer diesen Anforderungen nicht gewachsen war, musste zu Grunde gehen, was ja auch die Absicht der Bolschewisten war.
Dieses ist der am Anfang erwaehnte Leidensweg der Volksdeutschen, auf dem sich die politischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland so deutlich abspiegelten. Welch frohe Hoffnung erfuellte die Herzen der Russlanddeutschen nach Abschluss des Freundschaftspaktes zwischen Russland und Deutschland, und welch ein Schreck kam ueber uns bei der Nachricht vom Kriegsausbruch zwischen Russland und Deutschland. Doch das schnelle Vorruecken der Deutschen Wehrmacht hat uns von allen Sorgen, Ängsten und Schmerzen befreit! Heil dem genialen Fuehrer und Sieg der unerschuetterlichen Armee Deutschlands!

Mai, 1942. Von Hans Epp, Chortitza, der selbst vier Jahre im hohen Norden war.

 

 

 

Zuletzt geaendert am 21 September 2002