Brief von Thomas und Helena Koop, Kaltan, Neu Samara in der "Mennonitische Rundschau" vom 13. April 1898

 

Abgeschrieben von Lydia Friesen (geb. Esau) (Email), alle ihre Berichte.

Kopie der Zeitung "Mennonitischer Rundschau" vom 13. April 1898, Seite 3. (gotisch) von Lydia Friesen (geb. Esau).

 

Werte Rundschau! Zudem ich voriges Jahr übergesiedelt bin aus dem taurischen ins samarische Gouvernement, und vielleicht ein mancher auch wünschen wird aus dieser Gegend etwas zu erfahren, so will ich, wenn es angenehm ist, auch etwas mitgeben auf die Reise, um unsern lieben Freunden in Amerika, wie auch hier in Rußland, unser Befinden ein wenig zu schildern und auch Nachfrage nach unsern Geschwistern zu thun. Wir sind bis jeßt noch immer gesund gewesen, wofür dem Herrn Dank gesagt sei; aber die Zeiten sind so drückend, daß man beinah nicht weiß, wohin man sich wenden soll, um ein wenig unter diesem Drucke hervor zu kommen; denn die vorjährige Ernte war nur eine so geringe, daß viele der Ansiedler mit Nahrung nicht bis zum Frühjahr ausgelangt hätten, und mit dem Futter für das Vieh ist noch gerade so schlimm. Weil es den ganzen Sommer trocken war, so ist das Getreide nur sehr klein geblieben und hat wenig Stroh gegeben. Heu, wohl zu sagen, beinah gar keines; und so muß das Futter von früheren Jahren gebraucht werden, wer solches hat. Wer nicht Futter von früheren Jahren hat, muß sein Vieh billig verkaufen, und für das, was er noch hält muß er teuer Futter kaufen. Mit Saat künftiges Frühjahr zum säen, und mit Brot zur Nahrung, ist jeßt geholfen, denn die Mutterkolonie an der Molotschna hat Unterstüßung geschickt, wofür wir herzlich dankbar sind.
   Das Wetter ist jeßt ziemlich schön, aber bis 21 Grad Reaumur falt; es ist auch schon bis 24 Grad gewesen. Schneestürme haben wir auch schon mehrere Male gehabt; manchmal drei Tage nacheinander, daß vom Nachbar nichts zu sehen war, und hat auch stellweise tüchtige Schneedünen zusammengetragen; aber wie die Leute sagen, ist diesen Winter weniger Schnee als in vorige Winter. Die Kleidung soll in dieser Gegend doch etwas wärmer sein, als wir aus der Mutterkolonie gewohnt sind, denn es ist bisweilen ziemlich kalt; hieran fehlt es immer noch, und ein mancher muß deswegen mehr Frost vorlieb nehmen, als sein Körper ertragen kann.
   Nun muß ich fragen, ob auch jemand von unsern Freunden die Rundschau liest, damit ihm diese Zeilen zu Gesichte kommen; wenn nicht, dann bitte ich; es ihnen von irgend einem Rundschauleser zu benachrichtigen, und unsere Freunde sind gebeten uns ihre Adresse zu schicken, damit wir einen brieflichen Verkehr anstellen können. Mein Bruder Abraham Koop wird hiermit gebeten, mir seine Adresse zu schicken, indem ich nicht weiß, wo er sich jeßt aufhält, weil er von Rodgers, Bell. Co., Texas, weggezogen ist. Sollten ihm diese Zeilen zu Gesichte kommen, so sei er mit Familie gegrüßt. Meiner Frau ihre Brüder: Abraham Reimer, Peter Reimer, Jakob Reimer, Heinrich Reimer und Johann Reimer, stammend von Hierschau, werden auch hiermit gebeten uns ihre Adresse zu schicken, aber auch deswegen sogleich Briefe, denn wir sind neugierig auch von ihnen etwas zu erfahren, und wenn nicht persönlich so doch schriftlich als Schwager kennen zu lernen. Auch unsere anderen Freunde, nämlich: Onkels und Tanten, Vettern und Nichten möchten uns mit Briefen besuchen; sie werden uns sehr willkommen sein.
   Dieweil ich mein Schreiben nicht gleich fertig gemacht habe, so ist noch wieder eine geraume Zeit vergangen bis jeßt, und es hat sich auch noch wieder etwas in der Zeit geändert. Die Kälte ist im Februar bis 28 Grad Reaumur gewesen, aber gegenwärtig nur 24 Grad. Unsere Arbeit ist immer eine und dieselbe: Futter und Brennzeug kaufen und nach Hause fahren; und dieses wird auch  wohl bleiben bis erst schönes Wetter eintreten wird; und dies wird wohl nicht eher als zum Maimonat. Aber dahin zu kommen bei einer so teuren und knappen Zeit, das wird sehr schwer halten. Es wird vermutlich bis dahin noch manches Vieh sterben müssen.
   In der Hoffnung uns Nachricht zu schicken, lassen wir auch unsere Adresse folgen, und verbleiben in Liebe eure aller Freunde
                      Thomas und Helena Koop,
                        Samarische Guberne,
                    Eisenbahnstation Sorotschinsk,
                           Benjamin B. Voth,
                 zur Uebergabe an Thomas Koop,
                                    Kaltan

 

Bemerkungen von Lydia Friesen (Esau):

Thomas Abraham Koop ( ? - ? ) (#56476)
Helena Abraham Reimer ( ? - ? ) (#351194)

Bruder Abraham Koop:

Abraham Abraham Koop (22 Oct 1845, Muensterberg, Molotschna, South Russia - 3 Oct 1928, Corn, Oklahoma) (#34632)

Meine Frau ihre Brüder:

Die Gebrüder Reimer, sind die Söhne von:
Abraham Johann Reimer (1810, Münsterberg, Molotschna - ?, Hierschau, Molotschna),
im Jahre 1848 zog Abraham Reimer von Münsterberg nach Hierschau.

Die Gebrüder Reimer werden auch in diesem Brief erwähnt:
Brief von Jacob Bergen, Bogomasow, Samara. In der "Mennonitische Rundschau" vom 29. Juni 1892.

   
Zuletzt geändert am 28 November, 2016