Brief von Peter Dürk. (Dürksen? – E.K.) aus Kaplanbeck in "Mennonitische Rundschau" vom 1. April 1881

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 1. April 1881, Seite 4. (gotisch) von Elena Klassen.

 

Asien. Kaplanbeck, 25. Okt.1880.
Wiederum ist es das „Gemeindeblatt“, welches eine Original-Correspondenz von einem Bruder bringt, der unter den Auswanderern nach Turkestan ist. Wir beschränken uns darauf, dem langen Berichte nur den für weitere Kreise interessantesten Theil zu entnehmen:

„Den vorletzen Tag, die 3. Station von hier kam uns schon ein Beamter entgegen, uns unsern einstweiligen Aufenthalt anzugeben. Er nahm Br. W. Penner in seine Kutsche, und fort gings mit seinem Dreigespann, Br. Penner wurde des andern Morgens zu Pferde, begleitet von 4 Kirgisen, zu uns gebracht. Der Beamte war mit Br. P. hier auf Kaplanbeck gewesen und hatte ihm diese Gelegenheit gezeigt. Die Kirgisen mußten uns nun hinbegleiten, einen Richtweg, daß wir nicht nach der Stadt brauchten, welches ein Umweg von 50 Werst gewesen wäre. Es war dieses von Herrn Kaufmann (dortigem Generalgouverneur) veranlaßt, und that uns solches Entgegenkommen sehr wohl. Der Weg, mehr ein Feldweg, war aber für unsere Wagen nicht zum besten. Tante Janzen war ein Rad schon länger sehr schlecht; hier gings nun ganz auseinander, so daß ein Baum untergeschoben werden mußte, und sie auf drei Rädern ans Ziel kam, ein Beweis, daß es nun mal weit genug sei. Von hier nach der Stadt Taschkent ebenfalls ungefähr 8 Werst schlechter Weg, d.h. mit schlechten Stellen. Wir haben um Ausbesserung gebeten; das soll schon heute unter unserer Aufsicht geschehen.
Dicht neben uns, wenige Schritte ab, wohnt ein reicher Kirgise, Namens Schönebeck, in einem gewönlichen runden Zelte (Kibitki), hat 3 Häuser in der Stadt, in einem ist ein Handlungsgeschäft. Er muß auch sonst in Ansehen stehen, denn der hat Auftrag, uns in Allem behilflich zu sein, was uns fehlt, beizuschaffen, ja uns sogar die Pferde, die wir verkaufen wollen, abzukaufen. Der Beamte, der uns entgegen kam, frug auch gleich, ob uns etwas mangle: Holz, Gerste, Mehl u.s.w., aber wir waren mit Allem versehen.
Ich habe vergessen, zu erwähnen, daß uns in Taschkent die Pässe abgefordert wurden, die mit der Post vorausgingen.
Auf allen Stationen früher schon wartete man auf uns, d.h. nur in dem Sinne, weil man von unserm Kommen durch die Postreisenden, die uns getroffen, erfahren. Auf der letzten Station, wo wir von der Poststraße abbogen, hatte sich der Votsteher sehr erkundigt, wie viel Vorschuß wir genommen, würden doch jetzt nehmen! Doch Gott sei Dank, wir konnten das noch verneinen. So sind wir denn, wie schon erwähnt, 15 Wochen auf der Reise gewesen und können dem Herrn nicht genug danken. Es hat wohl lange gedauert; aber unsern Pferden kam es immer zu gut, wenn wir einmal einen halben Tag stillliegen mußten. Hier nun auf Kaplanbeck entfaltet sich gleich ein reges Leben. Es ist hier ein Wohnhaus mit sechs heizbaren Zimmern, eins aber nur, wo Thüren und Fenster dicht waren. Hier kamen nun die Kranken hinein und somit auch ihre Angehörigen. Hiedurch genießen wir nun die Entschädigung für die Beschränkung auf der Reise.
.........Es wird fleißig an den Wohnungen, auch für die Nachkommenden geschafft. Es sind da hohe Lehmwände aufgeführt und in drei verschiedene Vierecke getheilt.An der offenen Stelle stehen Ständer. Hier lassen die Freunde Fenster und Thüren einsetzen und somit eine dichte Wand ziehen. Bis 20 und mehr Scharten (Sarten? Eine Volksgruppe in Zentralasien – E.K.) kleben in kurzer Zeit die Wände auf. Fenster und Thüren mit Gerüsten sind fertig in Taschkent zu kaufen und geholt worden. Mittelwände stehen viele passend da, und so sind viele Wohnungen rasch fertig geworden.
Es ist heute der 30. d.Mts. (des Monats – E.K.), da ich dieses schreibe. Hat diese Nacht schon etwas gefroren, und denken wir viel an unsere nachkommenden Brüder. Es ist ohnedem den hiesigen Leuten ein Wunder, daß jetzt noch immer schön Wetter ist; denn sonst ist hier schon die Regenzeit. Ein Lehmhäuschen steht für sich allein vor unserer Thür. Da werden jetzt die innern Wände ausgebrochen, um einen möglichst großen Raum zum Schulhaus und Andachtshaus zu gewinnen.
Die Lage dieser Wirtschaft ist ganz romantisch. Wir mußten durch einen Fluß fahren, dann gings bald in eine Weidenallee, die sich an dem Wohnhause vorbeizieht bis zu einem Wäldchen. Alles angepflanzt. Schon sehr hohe Bäume, meistens Pappeln, aber mit sehr großen Blättern, ähnlich denen des Ahorn. Hinter dem aufsteigenden Walde ein breiter Graben, woraus die Bewässerung erfolgt. Auch jetzt rauscht noch fast täglich Wasser durch das fallende Laub. Weils dem Hause zu an einer Stelle etwas steil fällt, so dürfen wir nur einige Schritte gehen und den Eimer unterhalten. Etwas entfernter sind verschiedene Baumgruppen, die die Aussicht verschönern, so auch Kirgisenwohnungen, wo die Lichter des Abends so nachbarlich herleuchten. Dann noch weiter entfernt die hohen Gebirge Karataus, wo so ganz deutlich auf verschiedenen Stellen der Schnee zu sehen ist, der hier schon im Sommer nicht schmilzt. Wir sahen schon, daß leichte Wolkenschichten sich niedriger lagerten, und die Schneespitzen die Wolken überragten. Das ist dann ein großartiger Anblick, wornach viele reiche Leute Meilen weit reisen würden. Von uns sollen die Gebirge 80 Werst entfernt sein. Auch einen Markflecken haben wir in unserer Nähe, nur 1 Werst. Doch als wir das erste Mal hinschickten, kauften wir Alles, was zu haben war, auf.
Nach der Stadt sinds 15 Werst, die Hälfte schlechter Weg, dann aber sehr gut auf der Poststraße. Ich war schon mit Frau und Kindern hingefahren. Lange vor der Stadt schon immer in Alleen zu fahren und andre angenehme Abwechslung. Die Stadt selbst hat Jac.Hamm (unser Deputirter) nicht so schön geschildert, wie sie ist. Nun er war im Winter hier. Jetzt ist jede Straße eine dunkle Allee, sehr hohe Bäume, nicht eine Reihe, nein zwei und drei Reihen. Kommt man dann an eine Kreuzstraße, so sieht man nur Alleen, die Straßen schön gerundet, und hinter den Alleen lugen dann die Gebäude hervor, viele auch schon recht prachtvoll, sogleich vorne das Gymnasium in 5 zweistöckigen Gebäuden. Die Ladenpreise sind hier wenig theurer wie in Saratow. Das Fensterglas allerdings ist theurer u.s.w.u.s.w.
Die Brüder Herm.Janzen und Penner stellten sich in den ersten Tagen auch Gouw.Kaufmann vor. Hat sie auch freundlich angeredet: „Ihr H.H. Mennoniten, seid ihr endlich da?“ Ueber die 15 Wochen hatte er gesagt: „Wahrlich kein Spaß“ Sehr theilnehmend nach den gestorb. Kindlein sich erkundigt und dann gesagt: „Ihre Aufgabe nun, für die nachkommenden Brüder zu sorgen.“ Da unter Anderm Br. W.Penner ungefähr gesagt: der liebe Gott habe sie auf der Reise geleitet, habe er gesagt (Kaufmann? – E.K.): „Gott wird auch weiter für Euch sorgen!“ und sich dann für diesmal empfohlen. Morgen soll uns angewiesen werden, wo noch gepflügt werden soll.
Euer Bruder

Peter Dürk.“
   
Zuletzt geändert am 31 Mai, 2018