Bericht aus Aulie-Ata, Turkestan in der „Friedensstimme“ Nr. 5 vom 19. Januar 1911

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Aulieata, Turkestan. Erdbeben.

Mittwoch den 22 Dezember. Erhielt man in Aulieata telegraphisch die Nachricht: „Werny ist zerstört“, (Werny – später Alma-Ata. – E.K.) nämlich durch Erdbeben. Obzwar es hier keinen Schaden angerichtet hat, so ist es doch auch hier stark spürbar gewesen. In einem Augenblickwaren alle Häuser erhellt. Als man 5 Uhr morgens den Boden untre sich wanken fühlte. Die Leute stürmten halbangekleidet auf den Hof, die Hühner fielen von den Stangen, die Pferde fingen an, sich unruhig in Stalle zu bewegen – Furcht und Schrecken malte sich in aller Zügen. Ein Dichter singt: „Nun danket alle Gott“ usw; und wir können und sollen es mit ihm singen.
Ü b e r f a l l – Vor etlichen Tagen ritt H. Suckau vom Tschu, der geschätshalber hierher gekommen war, abends, jedoch noch früh von Ohrloff nach Nikolajpol, etwa 7 Werst Entfernung. Auf  dem halben Wege gesellten sich zwei reitende Kirgisen zu ihm, die ihm auch ansprachen, bis sie plötzlich die Zügel seines Pferdes ergriffen und ihm befahlen, Geld und Pferd zu geben. Nachdem sie ihn mißhandelnd noch eine Strecke in die Steppe geschlept, ließen sie ihn gehen. Würde die Obrigkeit energisch einschreiten, so können solchen Übel ein Ende gemacht werden, denn die Kirgisen sind nicht so gerieben (?- E.K.), wie die Tscherkessen und Tataren. Sie besitzen auch nur sehr wenig Schießgewehre. Ihre Waffen  sind Stangen, oft mit einem eisernen Knoten auf einem Ende.
Einige  vor etlichen Tagen eingefangene Diebe bekannten, daß sie zu einer großen Bande gehörten, die auf einer Strecke  von etwa 200 Werst verbreitet wohne und sich dann einander den Raub zustelle. Sollte dieses wahr sein, dann könnte man vermuten, daß zu dieser Bande etliche hundert Mann gehören.
Die W i t t e r u n g ist kalt und trocken. Das Thermometer war eines Tages auf 25 Gr.R. gesunken. Wird die Trockenheit kein Ende nehmen?
N a c h r i c h t. Etliche Tage später. Zeitungsnachrichten zufolge soll Prishewalsk von jeglichen Verkehr abgeschnitten sein. Da der Weg dorthin durch eine enge Schlucht führt, so ist dieselbe verschüttet, auch wahrscheinlich die Telegraphenpfosten zertrümmert. Zwei große Russendörfer , Tokmak und Nowo-Dimitrowka sollen zerstört sein.In Werny sollen über 40 Tote und mehr als 100 Verwundete vorgefunden sein.

   
Zuletzt geändert am 12 Mai, 2016