Bericht von H. Janzen aus Nikolaipol, Turkestan in „Zions-Bote“, Nr. 24, vom 12. Juni 1901, S. 4

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Zions-Bote" Nr. 24, vom 12. Juni 1901, S. 4. (gotisch) von Elena Klassen.

 

 

Asien, Nikolaipol, 25 April.
Das Herz ist ein trotziges und verzagtes Ding, das erfahren wir auch an uns, denn erstens war der Winter hier sehr trocken, fast gänzlich ohne Schnee und im Herbst war auch nur sehr wenig Feuchtigkeit gefallen. Als man dann mit dem Pfluge zum Ackern hinausfuhr, war die Erde fast zu trocken, doch hielten viele an mit Pflügen, trotz der Dürre, aber manche stellten das weitere aussichtslose Ackern ein, und siehe da, während der Osterzeit schickte der Herr Regen und man bedauerte, nicht mehr geackert zu haben, auch fuhr man noch fort damit. In der vorigen Woche hatten wir einen Regen, wie wir in einigen Jahren solchen Regen schon nicht gehabt haben und die Herzen werden dankbar gestimmt und jeder freut sich der schönen Witterung. So hat der Herr dafür gesorgt, daß auch die trocken eingesäte Frucht schon grünt und menschlich besehen, eine gute Ernte verspricht. Die Obstgärten hatten und haben viele Blüte.
Am zweiten Osterfeiertage hatten wir ein Leichenbegängnis, nämlich die Gattin des Kirchenpredigers Hermann Epp, fr. an der Wolga, wurde beerdigt. Obzwar ihre Ehe eine kinderlose war, so war sie doch eine Mutter vieler in und außer ihrem Hause. Vielen wird sie noch manchmal fehlen. Sie hat ihren Lauf vollendet, der mit vielen Kämpfen äußerlicher Leiden verbunden war, doch dürfen wir nicht zweifeln an ihrem seligen Übergang. Es war ergreifend, die vielen Teilnehmenden zu sehen. Der Herr führet uns auf rechter Straße. Oft scheint uns das aber gerade umgekehrt, aber wir wissen es aus Erfahrung sowohl als aus seinem Worte.
Infolge des starken Regens wäre Br. A. Dück bald ertrunken, doch hatte der Herr sein Ende noch nicht beschlossen. Br. Dück kehrte nämlich am 18 April aus der Stadt heim und kam am Abend desselben Tages an den Bergpaß Kapka, (eigentlich ist das ein Durchbruch des Flußes Talas durch den Ausläufer der Alexandrowschen Bergkette) wo ein kleines Flüßchen zum reißenden Strom geworden, die Brücke zwar noch passierbar, obzwar unter Wasser und wäre alles gut abgelaufen, aber das rechte Pferd scheute etwas und schob das Fuhrwerk seitwärts in den reißenden Strom. Die Pferde hielten anfänglich nicht Grund, doch etwas weiter fuhrs leidlich und Dück wollte, weil am Geschirr alles in Ordnung war, etwas weiter runterwärts hinausfahren, doch hielt das scheue Pferd nicht aus und ging seitwärts aus dem Wasser das steile Ufer hinauf; der Wagen ließ voneinander, die Pferde mit dem Vorderwagen gingen hinaus und der Fuhrmann trieb stromabwärts, doch ein Stückchen weiter konnte er sich retten; den Wagen zog man am folgenden Morgen etliche Werst aus dem Wasser. Verlust war ca. 20 Rubel, doch ist etwas davon schon gefunden worden. Am folgenden Morgen war das Wasser abgelaufen und ist dort wieder wie vorhin. So zeigt der Herr, daß er unsere Wege in seiner Hand hat, und es ist uns nichts besser, als uns ihm ergeben und vertrauen.
Der Gesundheitszustand ist gegenwärtig besser, doch sind etliche Krankheitsfälle. Wie haben Aussicht auf ein gedeihliches Jahr. Das Getreide hat Mittelpreis. Vieh sehr teuer, ein abgenutztes Pferd von 30 – 50 Rbl.

H. Janzen.
   
Zuletzt geändert am 5 Juli, 2018