Bericht von Abram Harder aus Grossweide, Gründer des Grossweider Waisenhauses in der „Mennonitische Rundschau“ vom 23 September 1908, S. 9. und eine Bestätigung über die eingegangenen Spenden vom 13 März 1907, S. 8

 

Abgeschrieben von Elena Klassen (Email), alle ihre Berichte.

 

Kopie der Zeitung "Mennonitische Rundschau" vom 23 September 1908, S. 9. (gotisch) von Elena Klassen.

 

Großweide, den 6 August 1908.
Einen Gruß der Liebe an Bruder Fast, Editor der werten „Rundschau“ und alle Leser derselben! Meinem Versprechen nachzukommen, auch mitunter etwas von unserem Waisenhause für die „Rundschau“ zu schreiben, will ich jetzt, da wir die drocke Zeit etwas hinter uns haben, thun. Es geht mir beinahe so wie Missionar Hübert unlängst zu mir sagte, wenn ich den Leuten etwas von Indien erzählen soll, so weiß ich beinahe nicht wo ich anfangen soll. Wenn ich sollte unsere ganze Lebensgeschichte und alle Erfahrungen, die wir durchgemacht haben, geistlicher und leiblicher Weise aufschreiben, dann würde es doch etwas zu lang werden. So will ich nur dieses bemerken, daß der Herr uns, ehe er diese Arbeit durch uns anfangen konnte, uns in die Wüste führen mußte. Manches hat es durchzukämpfen gegeben bis wir es gewiß wußten, der Herr will es so. Alles, was die Menschen jetzt denken oder sagen, ist uns einerlei, unsere Augen richten sich empor von wo uns Hilfe kommt. Wir stimmen mit Zeller ein, wenn er singt:


Gott mit mir auf allen Wegen,
Gott mit mir zu jeder Zeit!
Bei dem Herrn ist lauter Segen;
Ihm sei Dank in Ewigkeit!
Fragt ihr mich: Wie geht es dir?
Ewig, ewig Gott mit mir.

Meerestiefen, Löwengruben,
Kerker schließen Gott nicht aus.
Er ist bei mir in der Stube,
Auf dem Felde, wie im Haus.
Sitze, liege, stehe ich,
Ueberall ist Gott um mich.

Gott mit mir! O welche Freude!
Mit ihm hab`ich Mut und Kraft,
Mit ihm hab`ich Trost und Leide,
Kunst, Verstand und Wissenschaft.
Fragt ihr: Mensch, wer hilft dir so?
Gott mit mir, des bin ich froh.

Mauern kann ich überspringen,
Wenn mein Gott nur mit mir ist;
Kann durch Meer und Jordan dringen,
Siegen über Macht und List.
Du kannst das? So fraget ihr?
Nein, das thut mein Gott mit mir!

Alles hat einen Anfang und gewöhnlich ist der Anfang schwer, was auch wir bei der Gründung des Waisenhauses sagen müssen, es galt diese zwei Jahre, da wir in dieser Arbeit stehen, nicht nur Waisenkinder aufzunehmen, sie zu nähren, erziehen u.s.w., sondern auch Verschiedenes zurecht zu bauen und die Gebäude so viel wie möglich dazu passend einzurichten.
Als der liebe Herr uns den Ort gezeigt hatte, kauften wir unsern jetzigen Hof mit Gebäude und eine Kleinwirtschaft dazu für diesen Zweck. Unser Vermögen, welches der Herr uns anvetraut hatte, reichte nicht aus die Wirtschaft ganz zu bezahlen, so daß noch eine ziemliche Schuld darauf blieb, welche auch heute noch nicht ganz bezahlt ist, aber wir setzen unser Vertrauen auf den Herrn, der alles in Händen hat und wir sind bis heute auch nicht zu Schanden geworden, und wir glauben auch, daß er die Schuld noch decken wird.
Diese Jahr haben wir auch Verschiedenes zurecht gebaut und eingerichtet, was beinahe auf 1000 Rubel kommen wird. Wenn wir jetzt gefragt werden, wie wir denn mit dem Bauen fertig geworden sind, so können wir nur, trotzdem daß die Ausgaben noch nicht alle bezahlt sind, auf das oben erwähnte Gedicht hinweisen. Wenn wir auch mitunter in solche Prüfungsstunden hineinkamen, daß kein Geld in der Kasse, kein Mehl im Kasten und das letzte Brot auf dem Tische war, so half der liebe Herr doch so wunderbar, daß wir oft mit Petrus ausrufen mußten: Herr, gehe von mit hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch!
In der Erziehung der Kinder fühlen wir uns ganz besonders schwach, wozu wir sehr der Fürbitte aller Kinder Gottes bedürfen. Manches Schwere haben wir darin durchgemacht, aber auch viel Freude erlebt. Mehrere Kinder haben sich vorigen Winter zum Herrn bekehrt, auch dürfen wir es erfahren, wie der Geist Gottes schon in den Kinderherzen so mächtig wirkt, daß sie kommen und von früherer Zeit Geständnisse machen, wofür wir dem Herrn die Ehre geben. Bis jetzt haben wir in unserem Heim 16 Kinder aufnehmen dürfen, 13 Knaben und drei Mädchen.
Es thut uns heute noch leid, daß wir mit Dir, lieber Bruder Fast, nicht haben können im engeren Kreise etwas plaudern, denn manches hätten wir uns noch mitgeteilt.
Zum Schluß noch einen Gruß an Editor und alle Rundschauleser mit 1. Tim. 3, 16.
Abr. Harder.

Anm. – Ja, aber ich freue mich doch, daß wir persönlich bekannt geworden sind. Ich höre im Geist noch wie Deine liebe Frau die Kinder zusammen rief, als ich dort war und wie sie so schön singen und Antwort geben konnten. Gott segne Euch, und die Kinder mit himmlischen Segen. Gruß – Editor.

 

13 März 1907, S. 8

Wie wir aus der „Friedenstimme“ ersehen, wird dem neuen Waisenhaus in Großweide volles Vetrauen entgegen gebracht. Hausvater Harder bescheinigt den Empfang verschiedener Gaben und 700 Rubel in Geld.
 
Zuletzt geändert am 4 Juli, 2017