Willi Vogt. Mennonitische Ahnenforschung



Gemeindebericht 1848, das Molotschnaer Mennonitengebiet

 

Gemeindebericht 1848, Mennonitenkolonien.

39. Sparrau

Wenn man die auf der Nordseite dieser Kolonie sich erhebende Anhoehe besteigt, die von der Kolonie durch ein kleines Tal getrennt ist, so kann man die zwei Reihen Wirtschaftsgebaeude der Ansiedler uebersehen. Alle diese Haeuser sind regelmaessig angelegt, im Innern zweckmaessig eingerichtet und von einem gefaelligen Ansehen. Was dem aeusseren noch mehr Gefaelligkeit verleiht, sind die regelmaessig angelegten Obstgaerten, welche an der Gasse mit wilden Birnbaeumen, zwischen den Nachbarn mit einer Maulbeerhecke und am hinteren Ende mit einer wilden oelhecke eingefasst sind. Hinter den Obstgaerten der Suedseite befindet sich die Gehoelzplantage der ganzen Dorfsgemeinde mit ihren verschiedenen Arten von Waldbaeumen, darunter ein Drittel Maulbeeren. Diese Plantage enthaelt 17 Dessjatinen Land, wovon auf jeden Wirt 1/2 Dessj. kommt, welche ringsum von einer Maulbeerhecke, die ganze Plantage mit einer wilden oelhecke eingefasst ist. Auf beiden Enden der Kolonie wohnen die Beisassen in regelmaessig erbauten Haeusern.
Die Kolonie wurde im Jahre 1828 unter Anleitung des Oberschulzen Johann Klaassen gegruendet. Die Haeuser wurden aus Luftziegeln gebaut; in ihnen wurde fuer den ersten Winter eine Abteilung fuer das Vieh eingerichtet. Der Ackerbau wurde in dieser Zeit wegen Mangel an Vieh nur im kleinen betrieben. Ebenso die Schafzucht trotz der hohen Wollpreise (10 bis 30 Rbl. das Pud). Die Hof stellen waren von Graeben umgeben.
Das Dorf liegt laengs des Nebentales der Molotschna Kuruschan an dessen suedlicher Seite. Das Wasser in den Brunnen liegt 25 bis 40 Fuss tief. Ackerfelder und Heuwiesen liegen auf einer Anhoehe und sind ziemlich fruchtbar.
Da die hiesige Steppe ein Dreieck bildet, also einen sparrenaehnlichen Plan hat, so wurde die Kolonie nach einem bekannten Dorf in Preussen Sparrau genannt.
Die ersten 28 Ansiedler dieser Kolonie sind groesstenteils aus dem Bezirk Elbing in Westpreussen eingewandert. Zwei Jahre spaeter wurden noch 8 Familien aus den anderen Kolonien dieses Bezirks aufgenommen. (1855: 40 Wirtschaften, 61 Anwohnerfamilien; insgesamt 295 Maenner, 264 Frauen; 1857: 40 Wirtschaften, 216 Maenner, auf 2600 Desj. und 34 landlose Familien, 133 Maenner.) Das Land gehoerte zu dem Pachtland des Johannes Kornies, welcher es Tataren und Griechen zur Weide ueberliess. Die Ansiedler erhielten einen Kronsvorschuss von 14,092 R. Banko. Nur wenige besassen eigenes Vermoegen im Betrage von etwa 500 R. und bedurften des Vorschusses nicht.
Im Jahre 1832 zeigte sich in einer Herbstnacht gleichsam als Vorbote fuer das schreckliche Notjahr 1833 ein Nordlicht. Das sah aus, wie eine ungewoehnliche Feuermasse am naechtlichen Sternenhimmel, die sich oeffnet und in deren oeffnung man, dem Anschein nach, tief hineinsehen konnte. Nachdem sich die oeffnung wieder geschlossen, endigte die Erscheinung mit dem Fallen einer unzaehligen Menge von Sternen. Der weitere Verlauf der Geschichte dieser Kolonie weist keine[n] von derjenigen anderer Kolonien abweichenden Zuege auf.

Schulz Heinrich Ewert
Beisitzer: Gerhard Duck, Jakob Ott
Schullehrer Peter Friesen
Sparrau, den 23. April 1848.


Quelle: Odessaer Zeitung. 42. Jahrgang, 1904, Nr. 222




Zuletzt geaendert am 1 Mai 2008